Sechs Artikel sind zwischen 2013 und 2017 in der Zeitschrift "Umwelt Aktuell" des Deutschen Naturschutzrings erschienen
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Jürgen Tallig
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Vom Wetter zum Unwetter (Umwelt Aktuell 07.2013)
Der „Frühling“ der Extreme 2013 zeigt überdeutlich, die atmosphärische Zirkulation ist nachhaltig verändert.
Westwinddrift, Nordatlantische und Arktische Oszillation sind nur noch schwach, der Polarwirbel instabil.
Ursache ist die extrem starke Erwärmung der Arktis
Ende März 50 cm Schnee an einem Tag in der Ukraine, 30 cm Neuschnee und minus 25°C in Russland , in Nordengland und Schottland ähnliches, tausende Tiere verenden auf den Weiden, meterhohe Schneeverwehungen, allenthalben Stromausfälle, halb Europa versinkt im Schnee- und Kältechaos . Auch in Deutschland werden neue Kälterekorde allerorten gemeldet, und Ostern konnte man Schlitten fahren. Es gibt Februarwetter bis weit in den April.
Weihnachten blieb der Schlitten im Keller, da gab es einen Warmlufteinbruch und frühlingshafte 12 Grad plus. Im Januar wiederum fiel ein milder Landregen in erstaunte Gesichter.
Tiefgefrorene Böden also bis weit in den April und keinerlei Pflanzenwachstum, am 18. April dann ein Temperatursprung auf 25 Grad, plötzlich Sommer in einer noch winterlichen Natur.
Es folgte ein Wetter-JoJo von Warmlufteinbrüchen aus Südost und kalter Luft aus nördlichen Richtungen, die Fronten krachten irgendwo südlich von Berlin aufeinander. Irritierte Wettermoderatoren meldeten das Abziehen von Regengebieten nach Westen. Klimawandelskeptiker trumpften angesichts der Kaltlufteinbrüche selbstgefällig auf. Ende Mai nun, nicht enden wollende Tiefdruckgebiete mit Starkregen und Gewittern aus Nordost, -Überschwemmungen, nicht begeh- und befahrbare Felder, Land unter.
Eine Katastrophe,- erst die verspätete Aussaat und nun alles unter Wasser und in zwei Wochen möglicherweise 30 Grad im Schatten. Früher hätte das für Millionen Menschen Hunger oder Tod bedeutet.
Und es kommt noch schlimmer, es hört nicht auf zu regnen. Man spricht von Jahrhundertflut, vielleicht wird es auch eine Jahrtausendflut. Es ist eine Jahrtausendflut geworden.
Das Wetter spielt offensichtlich verrückt! Auch die Klimawandelprojektionen hatten ja anderes erwartet. Doch statt milderer und feuchterer Winter, wie vom DWD auch noch 2013 prognostiziert, nun schon der vierte oder fünfte Winter mit extremen Kälteeinbrüchen. Die Tiefdruckgebiete ziehen nicht 180 km nördlich von West nach Ost (DWD 2012), sondern saugen sich 1500 km südlich über Mittelmeer und Schwarzem Meer mit Feuchtigkeit voll, um dann in einem Bogen, von Nordost kommend, Mitteleuropa unter Wasser zu setzen. Und dann immer wieder diese eisige Nordströmung. Aber über der Ukraine und Russland, die ja auch diesen Eisfrühling hatten, ist es schon wieder viel zu heiß.
Was verändert das Wetter über Europa auf diese überraschende Weise?
Die leichte Abschwächung, des Golf –bzw. Nordatlantikstroms, durch den es ja in Nordwesteuropa 4 bis 5°C wärmer ist, als auf demselben Breitengrad in Kanada, ist als Ursache eher auszuschließen.
Eine Abschwächung des Golfstroms erklärt auch nicht wirklich die absonderliche atmosphärische Zirkulation, die zur Zeit über Europa zu beobachten ist, mit stationärem Tief, Nordströmung, kreisförmigen Tiefdruckbahnen von Südost nach Norden und dann nach Südwesten.
Auch hätte ja eine Abschwächung des Golf –oder Nordatlantikstroms eine Abkühlung z.B. auch um Grönland bewirken müssen.
Tatsache ist aber, dass es 2010 im arktischen Kanada und auf Grönland 3-5°C zu warm war (WMO-Bericht 2010), in den Folgejahren genauso. Auf einer Weltkarte der NOAA von 2013 (siehe Pressemitteilung des DWD vom 12.04.2013) mit den Temperaturabweichungen vom langjährigen Mittel, ist über Grönland und der Baffin Bay eine Abweichung von 6-10 Grad Celsius für den März 2013 eingezeichnet,- nach oben. 2016 bringt neue Rekordtemperaturen und eine verstärkte Eisschmelze. Die Arktis insgesamt ist die sich am stärksten erwärmende Region der Erde.
Also eine extreme Erwärmung genau in dem Bereich, wo unser Wetter gemacht wird. Zwischen subpolarer Tiefdruckrinne auf der Breite südliches Grönland und Subtropischem Hochdruckgürtel befindet sich die sogenannte planetarischen Frontalzone, wo polare Kaltluft und vom Äquator kommende Warmluft frontal aufeinander treffen und die enormen Temperatur- und Druckunterschiede abgebaut und ausgeglichen werden,- quasi der Motor der atmosphärischen Zirkulation der nördlichen Hemisphäre. Hier hat die Westwindströmung oder Westwinddrift ihren Ursprung, die bisher unser Wetter bestimmt hat. Sowohl am Boden als auch in der Troposphäre (Polarfront-Jetstream) verlaufen die Strömungen von West nach Ost und sind in ihrer Stärke jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen. Wenn sich der abzubauende Temperatur –und Druckunterschied wegen der klimawandelbedingten Erwärmung der Arktis verringert, dann hat das natürlich auch Folgen. Nämlich eine Schwächung der Westwinddrift und Veränderungen der Atmosphärischen Zirkulation über Europa.
Die starke Erwärmung der Arktis hat die atmosphärischen Druck- und Strömungsverhältnisse auf der Nordhalbkugel verändert und ist Ursache der Wetterextreme dieses „Frühjahrs“, Westwinddrift sowie Nordatlantische- und Arktische Oszillation sind extrem schwach, der Polarwirbel instabil
Die eisfreien Wasserflächen des Nordpolarmeeres haben einen Temperaturanstieg von 5°C und mehr bewirkt, sowohl über Grönland, als auch im arktischen Kanada, aber auch über der Barent- und Karasee (siehe Bericht der Weltmeteorologie-organisation 2010 und die Studie des PIK von Petoukhov und Semenov 2010).
Die arktische Meereisausdehnung im Sommer ist in den letzten 30 Jahren um mehr als 50% zurückgegangen und das erneute Zufrieren erfolgt immer später, teilweise erst im Januar, die maximale Ausdehnung im März wird immer geringer (die kleinsten Maxima waren alle in den letzten 10 Jahren).
Sehr wahrscheinlich ist, dass es einen Zusammenhang zwischen der Erwärmung der Arktis und den lang anhaltenden Kälteperioden der letzten Jahre in Europa gibt, den man „Warme Arktis-Kaltes Europa“ nennen könnte.
Auf Grund der sehr starken Erwärmung im Norden haben sich die Temperatur- und damit Druckunterschiede enorm verringert, die sonst für eine mehr oder weniger stetige und kräftige Westströmung sorgten .
Das betrifft den Druckunterschied zwischen Arktis und mittleren Breiten, Arktische Oszillation (AO) genannt (Jaiser et al, 2012), aber auch die Nordatlantische Oszillation (NAO), das Druckverhältnis zwischen Azorenhoch und Islandtief . Ist der Index der NAO positiv gibt es eine kräftige Westströmung oder Westwinddrift mit milder Atlantikluft, bei stark positiv (90er Jahre) geht es bis zum Orkan, wie z.B. „Kyrill“.
Beide verhindern eigentlich das Vordringen arktischer Kaltluft aber auch warmer oder heißer Luft (Mittelmeer/Sahara) aus Süden nach Mitteleuropa.
Die Kältephasen in Europa gehen also meist mit einem negativen NAO und AO- Index und einer schwachen oder fehlenden Westwinddrift einher, einschließlich eines geschwächten Jetstreams, bzw. Polarwirbels.
Das war laut WMO 2010 so, mit extrem negativen Werten, und wird in diesem Winter und Frühjahr noch weit übertroffen. Bei negativem AO-Index ist das Polarhoch stark im Verhältnis zu einem schwachen Tiefdruckgürtel der weit nach Süden abgedrängt wird. Das ganze Frühjahr schon haben wir im Nordatlantik/Nordmeer bis Nordsee/Norwegen starke Hochdruckgebiete , um die ja die Luft im Uhrzeigersinn zirkuliert ( im Gegensatz zu Tiefdruckgebieten) und eine stetige kalte Nordströmung die weit ins nördliche Mitteleuropa reicht. Und ob es so etwas, wie Islandtief und Azorenhoch noch gibt, scheint eher ungewiss. Schon 2010 konstatierte der DWD neben negativer NAO, das faktische Fehlen des Islandtiefs und ein verschobenes Azorenhoch (Klimastatusbericht 2010). Früher entstand ein Tief bei Island, zog mit der Westwinddrift über Frankreich und Deutschland hinweg nach Osten und löste sich an der polnisch- russischen Grenze auf. Dieses alte Wetter scheint es nicht mehr zugeben. Diese Veränderungen erklären auch die momentane Katastrophe.
Möglicherweise erleben wir gerade eine Umstellung der Muster der Großwetterlagen in Europa, wo die alten West-Ost-Verläufe eher die Ausnahme sein werden, hin zu einem ständigen Wechsel und dem Aufeinanderprallen von Strömungen aus verschiedenen Richtungen.
Das wäre dann ein ständiger Wechsel zwischen Nord und Südströmung (Wetter-JoJo), also einmal sehr kalter und dann wieder warmer oder schwülfeuchter Luft, wie wir es in den letzten Jahren ja schon oft erleben mussten (das unerträgliche Wetter- Hin und Her) oder beides gleichzeitig, wie in den letzten Wochen, wo Deutschland ja wettermäßig zweigeteilt war.
Oder eben, wie jetzt, eine Art Kreisbewegung von Südost kommend und nach Südwest umschwenkend, was ja auch keine übliche Vb- Wetterlage war, die kommt ja von Süden und nicht aus Nordost. Eine katastrophenträchtige Gemengelage, wie wir gerade erleben müssen. Ein neues Tief könnte hier Unvorstellbares geschehen lassen.
Wann und wie und ob sich die neuen Zirkulationsmuster erkennbar stabilisieren werden, bleibt abzuwarten. Sicher scheint einzig die Unbeständigkeit, in einem ganz neuen Sinne. Die Kälteeinbrüche, die es seit einigen Jahren mit sich verstärkender Tendenz gibt und die ich Schneekönigin-Effekt nennen möchte, sind eine eher unerwartete und überraschende Folge des Klimawandels, aber nur ein Symptom eines großen Andersrum, daß uns jetzt schon das Fürchten lehrt. Wenn die Erwärmung in der Arktis und im Nordatlantik noch weitergeht, was sehr wahrscheinlich ist, werden sich die Oszillationen weiter abschwächen und die jetzigen Wetterlagen verstärkt wiederholen. Die Dicke des arktischen Meereises hat in den letzten drei Jahrzehnten um drei Fünftel abgenommen ( Deutsche Forschungsinstitute zum Meereisrekord, 2012). Möglicherweise haben wir schon in 15 Jahren ein eisfreies Polarmeer, dann gibt es eh kein Halten mehr (auftauender Permafrost).
Der ungebremste Ausstoß von Treibhausgasen durch die Industrie- und Autoländer, Anstieg der CO2- Emissionen seit 1992 um fast 75%, von 20 auf 34 Milliarden Tonnen, also 34000 Millionen Tonnen, hat dem Klimawandel eine nicht mehr begrenzbare Dynamik verliehen und jetzt möglicherweise, seit Menschengedenken bestehende atmosphärische Strömungs- und Wettermuster durcheinander gebracht, statt milder Westströmung, nun eisige Nordströmung oder/und warme/heiße Südströmung, oder eben das Unsägliche, was im Moment gerade passiert. Möglicherweise haben wir die Regelmechanismen von GAIA (Mutter Erde), zum Ausgleich von Störungen unterschätzt, siehe James Lovelocks , „Gaia-Hypothese“.
Wie und ob diese Strömungs- und Wetterlagenumstellung die Erwärmung in den Nordpolarregionen mindern kann und wird, es also da eine Rückkopplung gibt, bleibt abzuwarten. Aber wahrscheinlicher ist, dass die Erwärmung der Arktis noch schneller gehen wird, da die kalte Luft ja nur noch eingeschränkt von Westwinddrift und Polarwirbel zurückgehalten wird.
Und vielleicht merken ja auch die Autobauer und Geldvermehrer, dass etwas nicht stimmt und ihr Tun Folgen hat und sie möglicherweise gerade die Grundlage des ganzen Geschäfts ruinieren.
Wer meinte, Klimawandel bedeute, ein bissel Heizkosten sparen und ginge ihn sonst nichts an, ist wohl nun eines Schlechteren belehrt.
Jürgen Tallig 2013 tall.j@web.de
Quellen:
-World Meteorological Organization, WMO-Bericht zum Zustand des globalen Klimas 2010 (deutsche Übersetzung es DWD)
- Petoukhov, V. and Semenov,V.A., (2010), …Reduced Barents-Kara sea ice and cold winter extremes over northern continents
- Presseinfo des Deutschen Wetterdienstes, „ Deutsche werden mit Klimaveränderung leben müssen“, (2004)
-Klimaänderungen in Europa, http://wiki.bildungsserver./klimawandel
-Die Nordatlantische Oszillation und ihr Einfluss auf den Winter, Wetterdienst, (10.01.12)
-AO-Index, der Sand im Frühlingsgetriebe, www.wetter.tv/de/wetterblog(29.03.2013)
-Deutsche Forschungsinstitute zum Meereisrekord, 2012
-Jaiser et al, Impact of sea ice cover changes on the Northern Hemispheric atmospheric winter circulation,Tellus A 2012
-Pressemitteilung des DWD vom 12.04.2013
-Das Paradox der Klimaerwärmung, FOCUS-Online, 28.03.2013
-James Lovelock, Gaias Rache, Warum die Erde sich wehrt, 2007
-DWD, Klimastatusreport 2010