TITANIC. „CO2- neutral"

Die fossil-mobile Wachstumszivilisation befindet sich auf ungebremstem Kollisionskurs mit dem Planeten. Ein grüner Anstrich macht die Titanic weder langsamer noch leichter und bewirkt auch keinen Kurswechsel.

Längst wagt es kein ernstzunehmender Mensch mehr, den Klimawandel zu leugnen.

Selbst Donald Trump ist nicht länger bereit, sich lächerlich zu machen.

Doch die Frage ist längst nicht mehr, ob es das Offensichtliche gibt, sondern ob wir das drohende Kommende, die fast schon unvermeidliche Klimakatstrophe noch abwenden können. Können wir das Abrutschen des Klima- und Érdsystems in eine lebensfeindliche, sich selbst verstärkende Heißzeit noch verhindern (siehe Willi Steffen, Johann Rockstrom und andere, Trajectories of the Earth System on the Anthropocene, in: „PNAS", 8/2018, S. 8252-8259)? Thats the Question!

Es ist allerhöchste Zeit für den entschlossenen Schutz des Klimas, wie der diesjährige Extremsommer und die neuesten alarmierenden Berichte der Klimaforscher und des Weltklimarates IPPC (Sonderbericht zur Erderwärmung von 1.5 Grad, 2018) überdeutlich zeigten.

Gute Nachrichten für das Klima sind rar in diesem Jahr. Aber es gibt sie scheinbar doch?

In vielen deutschen Städten gibt es mittlerweise Straßen mit Fahrverboten für ältere Dieselfahrzeuge und die Autokonzerne bieten Umtauschprämien von bis zu 10000 Euro für die „alten Stinker" an, wenn man sich dafür ein „gutes" neues Auto kauft. Die EU- Umweltminister haben eine Minderung der zulässigen CO2- Emissionen für Neuwagen um 35% ab 2030 vorgeschlagen. Endlich tut sich was! Doch geht es dabei wirklich um das Klima, die Menschen und die Umwelt?

Erst mal tut sich ja in den nächsten Jahren nicht viel, denn die viel zu laschen Verschärfungen sollen ja erst ab 2030 gelten. Bis 2030 müssen die weltweiten CO2- Emissionen aber bereits fast halbiert sein, wenn die Erde nicht irreversibel in einen gefährlichen Klimawandel abrutschen soll. Sonst drohen globale Temperaturerhöhungen weit jenseits der vielleicht noch beherrschbaren 1.5 oder 2 Grad, so warnt der Weltklimarat (IPPC) in seinem jüngsten Sonderbericht.

Doch die hehren Ziele des Pariser Klimavertrags, die Erderwärmung zu begrenzen, stehen nachwievor nur auf dem Papier und der CO2- Gehalt der Atmosphäre erreicht weiter jedes Jahr neue Rekordmarken. 2017 und 2018 sind auch die globalen CO2- Emissionen wieder um 1.7 % bzw. 2% gestiegen. Die fossil-mobile Industriezivilisation befindet sich weiter ungebremst auf Wachstumskurs und damit auf Kollisionskurs mit dem Planeten und lässt sich für ein Umsteuern, trotz der immer lauter werdenden Warnungen der Wissenschaft, viel zu viel Zeit.

Schon seit 25 Jahren läuft die Entwicklung in die falsche Richtung und auch nach der Pariser Klimakonferenz ist kein deutliches Umsteuern zu erkennen. Dabei haben sich seit der Umwelt- und Klimakonferenz in Rio im Jahr 1992 die weltweiten Emissionen schon auf über 42 Gigatonnen (Gt) CO2 (allein aus Verbrennung) verdoppelt und der weltweite Autobestand hat sich seitdem ebenfalls verdoppelt, auf ca. eine Milliarde Fahrzeuge.

Die weitere Globalisierung des extrem Klima- und umweltschädlichen motorisierten Individualverkehrs und seiner infrastrukturellen Voraussetzungen war bisher denn auch eine Hauptursache der beschleunigten Erderwärmung. Wenn man die Klimakatastrophe wirklich noch stoppen will, muss man

die Verkehrssysteme ökologisch umbauen und die heilige Kuh Auto endlich vom Sockel stürzen.

Doch davon sind wir weiter entfernt denn je, -die Autoproduktion hat allein in den drei Jahren bis 2015 weltweit um 30% zugenommen und ist mit bald 80 Millionen pro Jahr fast so hoch wie die jährliche Zunahme der Weltbevölkerung. Beim bisherigen globalen Wachstum der Autoproduktion braucht es nicht mehr lange bis zur nächsten Verdopplung des weltweiten Fahrzeugbestandes auf dann

2 Milliarden Stück, was auch die Emissionen aus dem Verkehrssektor verdoppeln dürfte.

Deutsche Autokonzerne sind beim Geschäft vorne mit dabei und an der Vergrößerung der Blech- und CO2- Lawine mit der weltweiten Herstellung von ca. 12 Millionen Neuwagen im Jahr beteiligt.

Das sind sehr viele Autos, viel zu viele. Zum Vergleich: Auf den Straßen der DDR rollten vor dem Mauerfall ca. 3,5 Millionen Autos. Die deutschen Autokonzerne produzieren also jährlich mehr als das Dreifache des Gesamtfahrzeugbestandes der DDR und auf ein Neugeborenes in Deutschland kommen demnach ca. 17 von deutschen Firmen hergestellte Autos. Welch Wahnsinn, angesichts der drohenden Klimakatastrophe!

Volkswagen zum Beispiel, verkaufte 2013 zehn Millionen Autos weltweit, von denen immer mehr in ausländischen Werken hergestellt wurden (allein in China hat VW bis 2015, zwanzig große Autofabriken errichtet). Nach Deutschland transferiert wurden aber nur die anfallenden Gewinne, die anfallenden Emissionen belasten die deutschen Bilanzen nicht. Deutschland ist keineswegs ein Klimaschutzvorreiter, ganz im Gegenteil. Wenn man die CO2- Rucksäcke der Zulieferungen aus aller Welt und die globalen Aktivitäten seiner Konzerne berücksichtigen würde, dann ergäbe sich sofort ein ganz anderes Bild; mit Pro Kopf- Emissionen, die nicht allzu weit von denen der USA entfernt sind.

Doch auch so verharren die deutschen Emissionen auf einem viel zu hohen Niveau, woran der Verkehrssektor unverändert einen viel zu hohen Anteil von ca. 25% hat. Ca. 64 Millionen Fahrzeuge rollen, bzw. stehen inzwischen auf Deutschlands Straßen und diese Zahl erhöht sich sogar noch jedes Jahr um etwa eine Million Fahrzeuge, -wie auch Länge und Dauer der Staus. Auf jeden gehfähigen Erwachsenen kommt inzwischen ein Auto. Diese subventionierte Übermotorisierung der westlichen Industrieländer ist natürlich in keiner Weise mit einem ernstgemeinten Klimaschutz zu vereinbaren und verursacht verheerende gesundheitliche, materielle und ökologische Folgen, die die Allgemeinheit zu tragen hat. Es ist also ganz gewiss allerhöchste Zeit für einen klimafreundlichen, ökologischen Umbau der Verkehrssysteme. Doch ob das Ersetzen alter Autos durch Neue das Klimasystem irgendwie entlasten wird, das darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.

Das eigentliche Motiv für die Offerten der Autokonzerne, soviel kann man mit Sicherheit sagen, ist nicht der Schutz der Gesundheit der Bürger und der Klimaschutz, sondern der Autoverkauf.

Auch Fahrverbote und die geplante Erhöhung der Abgasnormen dürften, nicht ganz ungewollt, den Erneuerungsdruck verstärken und so das Wirtschaftswachstum ankurbeln.

Wachstum bis es kracht

Denn wir leben in einer Gesellschaftsstruktur, deren Bedingung und Hauptziel unendliches Wirtschaftswachstum ist. Ein jährliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 2% ist allgemeiner gesellschaftlicher Konsens und quasi die Geschäftsgrundlage westlicher Gesellschaften und 3% sind noch besser. Die immanenten Antriebsstrukturen kapitalistischer Gesellschaften, -Kapitalakkumulation, Geldvermehrung, der Zwang zu Mehrwert- und Profiterwirtschaftung-, lassen keinen Stillstand zu und „erzwingen beständig erweiterte Reproduktion, auf immer höherer Stufenleiter"(Marx).

Ein Wachstum von 3% pro Jahr bedeutet aber eine Verdopplung des BIP in 25 Jahren, - und wir überlasten die Erde mit unseren Emissionen bereits jetzt um das Zehnfache.

Der ungebremste, globalisierte Turbokapitalismus produziert bereits jetzt einen nie dagewesenen Turboklimawandel. Um noch Frieden mit der Erde schließen zu können, müssten die Emissionen sofort drastisch reduziert werden und schnellstmöglich gegen Null gehen.

2009 kam es zu einer Reduzierung des deutschen BIP um 5,4 % und auch die CO2-Emissionen reduzierten sich deutlich und real. Sehr gut für das Klima, möchte man meinen. Allerdings handelte es sich dabei um die schwerste Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik und es herrschte allgemeine Weltuntergangsstimmung. Was das Klima retten könnte, weniger Wachstum und Reduzierung des Wirtschaftsvolumens, bedroht den Kapitalismus in seiner Existenz.

Es besteht offenbar ein antagonistischer, also nicht lösbarer Widerspruch zwischen der Begrenztheit des Systems Erde und den kapitalistischen Wachstumsgesellschaften.

Es zeigt sich längst, dass die Klimakatastrophe nicht nur eine technische, sondern vor allem eine politische Herausforderung ist. Nach 25 Jahren „Klimaschutz", in denen sich die

weltweiten CO2- Emissionen und die Zahl der Autos verdoppelt haben, kann und muss man begründet sagen, dass die derzeitigen Strukturen nicht zukunftsfähig sind.

Ihre technische und energetische Modifizierung allein, führt nicht zu den notwendigen Emissionsminderungen. Viel weniger CO2 statt immer mehr, geht eben nur ohne fossile Brennstoffe und ohne ständiges Wachstum! Die bisherigen exorbitanten Wachstumsraten machten bisher jede

Einsparung und Effizienzsteigerung zunichte (siehe Niko Paech, Das Elend der Konsumwirtschaft, Blätter 6`12). Der Kapitalismus ist zu Expansion und Wachstum verdammt und deshalb unfähig in einen stationären, erdsystemkompatiblen Zustand ohne Wachstum überzugehen.

Dem Zwang zu erweiterter Reproduktion sind natürlich auch die Autokonzerne unterworfen, was allerdings auf Grund ihrer bereits erreichten Größe und gesättigter Märkte kaum noch möglich ist.

Der fossil-globalistische Machtkomplex (siehe auch Thilo Bode, Lobbyismus 2.0: Der industriell- politische Komplex, Blätter 10`18) will aber grundsätzlich weitermachen wie bisher und Wachstum und Wertschöpfung weiter aus dem aufgeblähten fossil- mobilen Kerngeschäft generieren, wozu ständige Markterweiterung und künstliche Bedarfsweckung notwendig sind. Jede Beschränkung von Wachstum muss verhindert werden und national und weltweit müssen Möglichkeiten zu weiterem Wachstum geschaffen und genutzt werden.

Es ist jedoch in jedem Fall früher oder später mit einer Verteuerung (durch künstliche oder natürliche Verknappung) und höheren Besteuerung fossiler Brennstoffe und auch mit einer CO2- Steuer zu rechnen (siehe Jürgen Tallig, Earth First: Der Preis des Lebens, Blätter 10`18), da sich die Erderwärmung anders nicht begrenzen lassen wird.

Wenn wir die Erderwärmung begrenzen wollen, dann bedeutet das auch das baldige Ende der derzeitigen Form von Mobilität. Dabei geht es nicht um andere Antriebe, sondern um die Abschaffung des motorisierten Individualverkehrs überhaupt, der mit einer Umstellung auf Elektro, Gas - oder Wasserstoffantriebe nicht wirklich klimafreundlich werden würde.

Ökologische Modernisierung als Konjunkturprogramm

Das System ist ja durchaus beschränkt flexibel und will natürlich auch die Wachstumschancen, die der Klimawandel, der ökologische Umbau und das weitverbreitete ökologische Bewusstsein bieten, für seine Zwecke ausnutzen. Für weiteres zusätzliches Wachstum versteht sich,- einen prosperierenden Grünen Kapitalismus, der allerdings nicht zu mehr Klimaschutz und verminderten Emissionen führt. So haben sich trotz des enormen Ausbaus der erneuerbaren Energien die Gesamtemissionen Deutschlands in den letzten neun Jahren nicht vermindert (Weckruf für den Klimaschutz, Germanwatch und WWF, 2018).

Trotz Energiewende, Effizienzsteigerung und teilweiser Verbrauchsenkung verfehlt Deutschland deutlich seine Klimaziele, die ja im Wesentlichen nur durch den Zusammenbruch und Umbau der ostdeutschen Wirtschaft überhaupt in greifbarer Nähe sind. Diese Umstände haben auch dazu geführt, dass Deutschland irrtümlich, als Vorreiter beim Klimaschutz wahrgenommen wurde und wird. Real ist der Exportweltmeister und Globalisierungsgewinner Deutschland ein Ausbremser von Klimaschutz, der seinen kriminellen Autokonzernen kompromisslos den Rücken freihält, wie der Abgasskandal, aber auch die bisherige Verhinderung höherer EU- Abgasnormen deutlich zeigten.

Das technisch längst mögliche 3- Liter- Auto wird nachwievor nicht gebaut. Ganz im Gegenteil, die Autos wurden in den letzten Jahren immer größer und schwerer, statt kleiner und leichter und ihr Verbrauch nahm zu statt ab, was man mit den bekannten kriminellen Methoden zu verschleiern suchte. Das Marktsegment der spritschluckenden schweren Luxuslimousinen bleibt ohnehin von Steuern oder Abgasnormen weitgehend unangetastet. Die riesigen SUV wurden in den USA sogar steuerlich begünstigt, was diesen völlig absonderlichen Hype auslöste, der ja auch Europa erreichte. Auch die längst überfällige Einführung einer europaweiten CO2- Steuer wird von Deutschland blockiert, obwohl die Klimawissenschaft sich einig ist, dass dies ein effektiver Weg zur Senkung der Emissionen ist und die Mehrheit der EU- Mitglieder einverstanden wäre.

Wenn man weiß, wie sehr sich Deutschland vom Autobau- und Export abhängig gemacht hat und wie hoch die Parteispenden der Autokonzerne sind, wundert man sich darüber auch nicht mehr. Man will die Welt auch weiterhin mit jährlich 12 Millionen Autos „beglücken",- Klimaschutz hin, Klimaschutz her.

Die ökologische Modernisierung erweist sich bisher eher als Markterweiterungsmaßnahme und Zusatzkonjunkturprogramm und führt zu einem noch mehr an Angeboten und Möglichkeiten, ohne dass die anderen Wirtschaftssektoren und die Emissionen dadurch schrumpfen würden (siehe Niko Paech, Das Elend der Konsumwirtschaft, Blätter 6`12). Das grüne Wachstum wird quasi auf die weitgehend unveränderte emissionsintensive fossil- mobile Grundstruktur noch oben drauf gepackt

und schafft Arbeitsplätze (Wärmedämmung, Erneuerung von Heizungsanlagen usw.).

Auch die ökologische Modernisierung der Autoflotten scheint letztlich eher ein abgestuftes Programm zur Verkaufsförderung zu sein, dem die Abgas und Emissionsminderung nur als Vorwand dient.

Ob nun durch sacht steigende Umweltnormen, angeheizte Debatten über Belastungsgrenzen, eingebauten oder moralischen Verschleiß, vom Drei Wege- Kat über die Abwrackprämie zu Dieselfahrverboten und Umtauschprämien von bis zu 10000 €, ob Hybrid- und Elektroautos und dann das Wasserstoffauto, alles ist recht und scheint nur dem Zweck zu dienen, das Geschäft anzukurbeln, -Hauptsache es wird gekauft. Wenn viele dieser teuren, „umweltfreundlicheren„ Autos, dann auch noch manipulierte und in Wirklichkeit viel höhere Abgas- und Emissionswerte haben, offenbart dies ein wirklich erschreckendes Ausmaß an Natur- und Menschenverachtung seitens der Autokonzerne, die keine, noch so geringe Profitmöglichkeit auslassen.

Laut Vorschlag der EU- Umweltminister zur Erhöhung der Abgasnormen, „geht es nun also darum, dass viel mehr Autos mit alternativen Antrieben auf die Straßen gebracht werden".

Welch unfreiwilliger Klartext! Ganz recht, es geht darum, weiter Autos bauen und auf längst gesättigten Märkten verkaufen zu können. Wir haben es hier mit einer Markterweiterung mit andern Mitteln zu tun. In einer Art konzertierten Zangenbewegung wird Druck aufgebaut, um die Verbraucher zum Kauf neuer Autos zu bewegen, was aber nicht wirklich klimafreundlich ist.

Die Herstellung eines Autos ist ja ein sehr energieintensiver Stoffumwandlungsprozess und erfordert etwa so viel Energie, wie ein Durchschnittshaushalt in 10 Jahren verbraucht. Jedes neue Auto hat also bereits einen riesigen ökologischen Rucksack, auch an CO2- Emissionen im Gepäck, der durch die etwas verminderten Emissionen und Abgase erst nach Jahren oder zehntausenden Kilometern ausgeglichen sein wird.

Die Tatsache, dass die meisten alten Autos noch ein „zweites Leben" irgendwo auf der Welt haben werden, ist offenbar sowieso völlig nebensächlich. Umweltschädliche Produktionen und Produkte mit hohen Emissionen werden seit Jahren noch möglichst gewinnbringend ausgelagert. Es geht um Profit, nicht um das Klima.

Zur Herstellung eines Elektroautos benötigt man übrigens etwa doppelt so viel Energie (wegen der Batterieherstellung) wie für einen Benziner, es dauert also auch doppelt so lange, bis sich die Emissionseinsparungen wirklich real auszahlen und solange der Strom überwiegend mit fossilen Brennstoffen erzeugt wird, ist mit Strom fahren auch nicht klimafreundlicher (Vgl. dazu Achim Brunnengräber und Tobias Haas, Die falschen Verheißungen der E-Mobilität, in: „Blätter", 6/2017).

Die realen ökologischen Kosten von ökologischen Modernisierungen, also die bei der Herstellung verbrauchten Energiemengen und Rohstoffe und natürlich die anfallenden Emissionen müssen schon in Rechnung gestellt und von den erreichten Einsparungen abgezogen werden, um feststellen zu können, ob und ab wann sich da etwas ökologisch rechnet (siehe Saral Sarkar, Die nachhaltige Gesellschaft, 2001). Dies betrifft auch den neuen Kühlschrank, die neue Waschmaschine mit dem geringeren Stromverbrauch oder die neue Heizungsanlage und auch die dezentrale Energieerzeugung.

Der Umstieg auf alternative Autoantriebe erweist sich ganz klar als Mogelpackung für den Klimaschutz, genauso wie die Ersetzung von Kohlekraftwerken durch Gaskraftwerke,- es bleibt die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und ein viel zu hohes Emissionsniveau erhalten und eine Halbierung der Emissionen bis 2030 und Null Emissionen bis 2050 dürften so nicht möglich sein.

Auch der enorme Ausbau der nichtfossilen Energieerzeugung hat bisher nicht zu den erhofften Emissionsminderungen geführt. Notwendig ist offenbar nicht nur eine geänderte energetische Grundlage der bisherigen Strukturen, sondern eine grundlegende Änderung der Strukturen selbst,

die ja auf einem beständigen hohen Energie –und Rohstoffinput und einen enormen Transport -und Verpackungsaufwand beruhen. Die systemimmanenten Zwänge zu Wachstum, Größe, Effizienz und Beschleunigung führen zu weiterer Globalisierung, Automatisierung und Digitalisierung und erhöhen so permanent den Energie- und Stoffumsatz, was eventuelle Einsparungen wieder aufzehrt.

Eine ökologische Modernisierung dieser imperialen und extermistischen Strukturen ist letztlich ein aussichtloses Unterfangen, solange das Gesamtvolumen der Wirtschaft beständig wachsen muss und unökologische, klimaschädliche Strukturen systemisch begünstigt werden. Die erweiterte Reproduktion des fossil- mobilen Wachstumsmodells gefährdet jedoch zunehmend die einfache Reproduktion der Gesellschaft und der Natur, womit es sich letztlich selbst die Grundlage entzieht.

Die doppelte Systemgrenze

Der unfreiwillige Stillstand auf dem menschenleeren Großflughafen BER, auf dessen Rollfeldern unverkäufliche Autos zwischengeparkt waren, lieferte vorab das definitive Sinnbild für eine längst gescheiterte Ära. Fragen drängen sich auf:

Wie soll denn weiteres Wachstum generiert und bei längst gesättigten Märkten noch jahrzehntelang aufrecht erhalten werden? Und wer soll all diese Autos kaufen? Und wie sollen dabei die Emissionen auf ein klimaverträgliches Maß gesenkt werden (also auf fast Null), um die Klimakatastrophe noch zu verhindern?

Während die Klimawissenschaft händeringend schnelle Emissionsbegrenzungen einfordert, versuchen die Autokonzerne weiter zu wachsen und ihr Geschäftsmodell mit Hilfe der Politik zu verteidigen. Die Belastbarkeitsgrenzen des Klima- und Erdsystems und die Aufnahmefähigkeit der CO2- Senken sind längst überschritten, zum anderen stößt weiteres fossil- mobiles Wachstum auch auf gesellschaftliche Grenzen. Der Versuch, durch Fahrverbote, Umtauschprämien und erhöhte Abgasnormen neue Nachfrage quasi zu erzwingen, ist genauso absurd, wie das Vorhaben, mit unerprobten, ineffizienten Methoden, die CO2- Emissionen wieder aus der Atmosphäre zurückzuholen und zeugt vom unbedingten Willen, die gegebenen natürlichen und gesellschaftlichen Grenzen künstlich zu erweitern.

Angesichts von Klimakatastrophe, Dauerstaus und Absatzkrise offenbart sich eine doppelte Systemgrenze, die technisch nur hinausgeschoben, aber nicht überwunden werden kann.

Unser Wachstums- und Mobilitätsmodell steht zur Disposition, ist Mobilität jenseits der „Planetarischen Leitplanken" (siehe WBGU, Entwicklung innerhalb planetarische Leitplanken, (Politikpapier 8), 2014).

Der vermeintliche Fortschritt ist längst eine destruktive evolutionäre Rückentwicklung, die eine Spur der Verwüstung hinterlässt und offenbar erst in der Katastrophe zum Stillstand kommen kann.

Der Preis des Geschwindigkeitswahns ist bekanntlich nicht das „Blaue Band", sondern der Untergang.

Die Ära des motorisierten Individualverkehrs und der Hypermobilität wird so oder so zu Ende gehen.

Die gesellschaftliche Entwicklung, will sie denn zukunftsfähig sein, kann nicht länger von fossilen Strukturen bestimmt werden, deren Aufrechterhaltung längst einen viel zu hohen ökologischen und menschlichen Preis fordert und den Planeten gerade irreversibel destabilisiert (siehe Jürgen Tallig, Earth First: Der Preis des Lebens, Blätter 10`18).

Kanzlerin Merkel äußerte jüngst: „Die Autokonzerne haben gelogen und betrogen."

Ein wahres Wort. Aber auch ehrliche Autokonzerne, die ohne Lug und Trug ihre Ziele verfolgen, nämlich Autos zu verkaufen und Profit zu machen, gefährden inzwischen das Allgemeinwohl und die Zukunft des Planeten.

Ab einer bestimmten Größe sind Strukturen systemrelevant, war anlässlich der letzten Finanzkrise zu erfahren, weil sie wegen Ihrer schieren Größe, das ganze System destabilisieren können. Die deutschen Auto- und Energiekonzerne sind ganz gewiss systemrelevant, einmal für die deutsche Wirtschaft und zum anderen aber für das Klima- und Erdsystem. Es ist deshalb im Interesse des Allgemeinwohls, sie schnellstmöglich in kleinteilige zukunftsfähige Strukturen umzuwandeln und ihren völlig unverhältnismäßigen Einfluss auf den Kurs der Gesellschaft zu minimieren.

Doch mit einer Selbstabschaffung der Auto, Öl- und Energiekonzerne ist nicht zu rechnen.

Der Abschied vom motorisierten Individualverkehr und von der fossilen Energieerzeugung ist zwar klimapolitisch zwingend notwendig, aber er wird nicht freiwillig erfolgen.

„Es muss ja weitergehen…", heißt es. Auch wenn dadurch das Klimasystem kollabiert?

Der Weltklimarat IPCC, betont in seinem letzten Sonderbericht: „Aus naturwissenschaftlicher und technischer Sicht ist eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad noch machbar. Allerdings sind dafür "schnelle und weitreichende Veränderungen" ("rapid and far-reaching transitions") in allen wichtigen Sektoren der Weltwirtschaft nötig – in Energie, Industrie, Verkehr, Gebäuden, Städten und Landnutzung. Diese Veränderungen, so heißt es in der "Zusammenfassung für Entscheidungsträger", sind von "beispiellosem Ausmaß".

Die Menschheit steht vor der Systemfrage! Sie muss sich entscheiden, ob sie das Klima- und Erdsystem im noch lebensfreundlichen Bereich stabilisieren will, oder ob sie das derzeitige Wirtschafts-Energie- und Mobilitätssystem beibehalten will,- beides gleichzeitig geht offenbar nicht.

Das ist die Frage, die wir jetzt beantworten müssen, denn die Uhr läuft ab.

Zugespitzt gesagt: Wenn wir das Klima noch stabilisieren wollen, geht es darum, Bäume zu pflanzen, statt weiter Autos zu bauen. Diese einfache Tatsache, kann kein noch so lautes Werbegebrüll der Autokonzerne, übertönen und aus der Welt schaffen.

Unter dem Aspekt der Klimagerechtigkeit hätten die westlichen Industrieländer ohnehin längst kein Recht mehr auf ihre exzessiven Treibhausgasemissionen. Deutschland zum Beispiel hat bereits mehrere hundert Millionen Autos auf die Welt losgelassen und damit theoretisch sein Mobilitätsbudget längst ausgeschöpft. Eigentlich dürften die Deutschen nur noch Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen oder mit Bus, Straßenbahn und Bahn unterwegs sein, -was für alle besser wäre (siehe Winfried Wolf, Mobilität ohne Auto, Blätter, 12`2017). Der Übergang zu einem kostenlosen, CO2- Steuer- finanzierten ÖPNV wäre übrigens jederzeit machbar und finanzierbar und würde die Lebensqualität in den Städten gleich mehrfach erhöhen und die CO2- Emissionen senken.

Um den derzeitigen Kollisionskurs mit dem Planeten noch rechtzeitig zu verlassen, braucht es einen

radikalen Kurswechsel. Dazu muss man die Maschinen drosseln, umsteuern und Anker werfen und sehen, dass man „Land gewinnt"…

Doch der fossil- mobile Machtkomplex auf der Kommandobrücke (siehe Thilo Bode, Lobbyismus 2.0: Der industriell-politische Komplex, Blätter 10`18) hat andere Interessen und macht weiter mobil im „Blitzkrieg gegen die Erde" (siehe Jürgen Tallig, Tarantel 75, 2016 und Libell 163- 165, 2017), im Wettrennen gegen Raum und Zeit.

Die Titanic wird zwar „grün" angestrichen, ein wenig umgerüstet und mit Segeln, Windrädern, schweren Batterien und einem zusätzlichen Gasantrieb versehen und natürlich wird der Müll getrennt und dann in Müllverbrennungsanlagen verfeuert. Doch auch die „grüne", „CO2- neutrale" Titanic bleibt mit unveränderter Geschwindigkeit weiter auf Kollisionskurs mit dem Planeten, denn ihr Hauptantrieb bleibt in Betrieb und produziert unverändert viel zu viele Treibhausgase und auch der Kurs in eine Zukunft ewigen Wachstums steht keineswegs in Frage,

- bis es kracht!

Jürgen Tallig 2018 tall.j@web.de earthattack-talligsklimablog.jimdofree.com