Ungerechtigkeit im Treibhaus oder die Freiheit der Anderen
Unsere „Imperiale“ Wirtschafts- und Lebensweise enteignet die Armen und Schwachen dieser Welt und alle kommenden Generationen. Sie überlastet und destabilisiert das Klima- und Erdsystem und gefährdet damit den Fortbestand des Lebens und das Überleben der Menschheit.
Vier Jahre nach der historischen Pariser Klimakonferenz muss eine verheerende Bilanz der weltweiten klimapolitischen Bemühungen gezogen werden. Die Welt steuert ungebremst, ja sogar beschleunigt auf eine globale Katastrophe zu. Die Jahre 2015 bis 2019 signalisierten mit weltweiten Hitzewellen und Dürren, austrocknenden Flüssen und verheerenden Waldbränden eine beschleunigte globale Erwärmung und die weltweiten CO2-Emissionen sind im Jahr 2017 um 1.7% und im Jahr 2018 sogar um über 2 % gestiegen (Weltklima 2015-2019: Der Klimawandel beschleunigt sich, oekonews.at, 22.09.2019).
Die Welt steuert ungebremst, ja sogar beschleunigt auf eine globale Katastrophe zu. Die Erderwärmung ist dabei, sich zu verselbständigen und selbst zu verstärken und dürfte bald nicht mehr zu stoppen sein.
30 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR ist viel von der Freiheit die Rede, die damals erkämpft wurde oder triumphal Einzug hielt,- wie auch immer man das sehen will. „Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.“ nach Rosa Luxemburg, erwies sich als wahrer Spreng-“Satz“, der das labile System erschütterte und zum Einsturz brachte. Heute ist die Freiheit wieder bedroht und es ist höchste Zeit, uns zu erinnern: Die Freiheit ist immer die Freiheit der anderen.
Die Freiheit aller kommenden Generationen steht mittlerweile auf dem Spiel, denn unsere angemaßte und missbrauchte Freiheit bedeutet nicht weniger als ihre künftige Unfreiheit. Wir schaffen Tatsachen, die von den kommenden Generationen nicht wieder korrigiert werden können und ihre Lebensmöglichkeiten und Handlungsspielräume auf ein Minimum reduzieren.
Unsere derzeitige verschwenderische Wirtschafts- und Lebensweise ist angesichts der drohenden Gefahren,
völlig absurd, unsittlich, ja verbrecherisch und bedroht das Leben der Armen und Schwachen dieser Welt und das der vielen Milliarden Menschen, die noch nach uns auf der Erde leben wollen..
Alleine die jährlichen Staus in Deutschland reichen 38-mal um die Erde und unsere CO2-Emissionen betragen mehr als das Zehnfache dessen, was der schwer geschädigte deutsche Wald noch aufnehmen kann.
Unsere angeblichen Freiheitsrechte auf Reichtum, Konsum und Mobilität gefährden die grundlegenden Menschenrechte unserer Kinder und Enkel auf Leben und Gesundheit, denn durch unser Nichthandeln versäumen wir gerade die letzte Möglichkeit für eine Begrenzung der Klimakatastrophe. Das ist nicht nur verantwortungslos und ungerecht, sondern ein Verbrechen,- begangen ohne Not.
Die Tatsache, dass wir vor den Anderen leben, gibt uns nicht das Recht, ihr Leben unmöglich zu machen.
Schon Kants kategorischer Imperativ forderte: „Handle so, dass Dein Handeln Maßstab für das Handeln aller sein kann.“. Die Maßstäbe, die wir setzen sind nicht verallgemeinerbar, da sie die Planetaren Grenzen missachten und die Grundlagen des Lebens zerstören.
Wir wissen längst, dass unsere Wirtschafts- und Lebensweise nicht für alle möglich ist, heute nicht und noch weniger in der Zukunft, trotzdem halten wir nachwievor selbstverständlich daran fest. Wir wissen auch, dass wir möglicherweise gerade irreversibel das Klima destabilisieren und andere Kulturen und die Biosphäre zerstören und trotzdem geht alles so weiter wie bisher. Ein zynischer Spruch spitzt es so zu: „Und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen SUV kaufen.“
Die Freiheit, die wir uns heute herausnehmen, werden die nach uns Kommenden nicht mehr haben. Doch was kümmert uns die Freiheit der anderen…? Offenbar nichts, selbst wenn es sich um unsere Kinder, Enkel und Urenkel handelt. Wir lassen Ihnen faktisch keine Wahl, selbst zu entscheiden, ob und wie sie leben wollen.
Sie haben die Freiheit zu protestieren, -immerhin- und die Politik hat die Freiheit ihre Proteste zu ignorieren.
Die westliche Freiheit war schon immer exklusiv und sie wird immer exklusiver. Wurde früher nur der Süden ausgeschlossen, die Indianer, die „Neger“, der Jude und die Frau, wird jetzt die gesamte Zukunft der Barbarei
eines archaischen Überlebenskampfes überlassen und so zum rechts- und kulturfreien Raum in dem unsere Werte und Normen keine Gültigkeit mehr haben. Wir machen unsere Enkel und Urenkel zu Menschen zweiter Klasse, deren unangenehmes Leiden und Sterben in einer entfesselten, lebensfeindlichen Welt, wir uns lieber
gar nicht vorstellen wollen. Nicht nur, dass wir sie faktisch enteignen und der Möglichkeit künftiger selbstbestimmter Lebensgestaltung berauben, wir berauben sie auch unseres Mitgefühls und unserer Solidarität,- wir verraten sie und lassen sie allein. Was ist das für eine Freiheit?
Wenn wahre Freiheit die Freiheit der anderen impliziert, dann kann es sie ohne Gerechtigkeit nicht geben, die Leben und Freiheit zulässt, um uns und nach uns. Eine exklusive Freiheit nur für uns, die die Freiheit der Anderen ausschließt, ist unmöglich, da dies nicht nur das Ende der Freiheit, sondern auch das Ende des Lebens bedeuten würde.
Mit dem weiteren Ausleben unserer vermeintlichen Freiheit, mit einem „Weiter so“, würden wir den Planeten unwiderruflich in eine lebensfeindliche Heisszeit befördern und die Lebensgrundlagen für alle kommenden Generationen vernichten. Das ist die Konsequenz unseres jetzigen Handelns und keine Generation nach uns kann dies wieder rückgängig machen. Wie ungerecht.
Wir sind längst Richter und Henker,- ohne das Recht dazu zu haben; wir sind es, ohne es zu wollen und ohne die ungeheure Verantwortung, die da plötzlich auf unseren Schultern liegt, wirklich begriffen zu haben.
Die Frage der Gerechtigkeit hat inzwischen eine zentrale Bedeutung. Angesichts der Klimaproteste, der drohenden Vielfachkatastrophe (siehe Götz Brandt, Leben in der Vielfachkatastrophe, 2013) und der absehbar wachsenden Flüchtlingsströme, bei gleichzeitig zunehmender besitzstandswahrender Wagenburgmentalität, stellt sich drängender denn je die Frage nach einer gerechten, zukunftsfähigen Gesellschaft.
Die Erklärung der Menschenrechte ist bekanntlich eine Allgemeine und ihre Gültigkeit ist nicht zeitlich befristet.
Gerechtigkeit bedeutet demnach gleiche Menschenrechte für alle, -das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gilt auch für die Armen und Schwachen dieser Welt und für alle kommenden Generationen.
Sie haben dasselbe Recht zu leben und die Güter und Leistungen der Erde in Anspruch zu nehmen, wie wir.
Eine so verstandene Gerechtigkeit bedeutet, dass wir nicht das Recht haben, die Rechte der anderen, zu beeinträchtigen und der uns eigentlich zustehende gerechte Anteil nur ein Bruchteil dessen wäre, was wir uns bisher aneignen und angeeignet haben. Angesichts der Klimakatastrophe gilt es zu erkennen, wie weit wir im Falschen sind und dass das westliche, fossil- expansive Wachstumsprojekt eine evolutionäre Fehlentwicklung ist, die den Fortbestand der Menschheit bedroht. Der Weg zur Veränderung beginnt damit, dass die westlichen Verschwendungsgesellschaften endlich ein Unrechtsbewusstsein entwickeln und sich der wirklichen Dimension, der von ihnen verursachten Naturzerstörung - und Überlastung bewusst werden.
Nicht nur die Emissionen, auch unser Energie- und Stoffumsatz muss sich schnellstmöglich um etwa den Faktor 10 reduzieren. Doch der übermächtige fossil- mobile, militärisch-monetäre, globalisierungsorientierte und wachstumsfixierte Machtkomplex in Wirtschaft und Politik blockiert seit 25 Jahren das notwendige, grundlegende Umsteuern und will auch jetzt noch einfach weitermachen wie bisher.
Das Zeitfenster hat sich fast geschlossen
„Ohne schnelle Reduktion von CO2 und anderen Treibhausgasen wird der Klimawandel immer zerstörerischer und hat immer mehr irreversible Folgen für das Leben auf der Erde“, sagt der Chef der Weltmeteorologie-Organisation (WMO) Petteri Taalas. „Das Zeitfenster, in dem wir etwas tun können, hat sich fast geschlossen“. „… Es ist längst zu erkennen, dass wir selbst bei Erfüllung des Pariser Klimavertrages auf eine Erderwärmung um 3 bis 4 Grad zusteuern“, meint Klaus Wiegandt, Vorstand der Stiftung „Forum für Verantwortung“. Dass diese „halbherzige Klimapolitik weiterhin ungestraft“ möglich ist, „liegt vor allem an der Unkenntnis breiter Bevölkerungsschichten über die bedrohlichste Folge eines ungebremsten Klimawandels, …großflächige Ernteausfälle auf allen Kontinenten. Der Kampf um Nahrung und Wasser wird bald zum Alltag gehören- auch in Europa.“ (Die Zeit ist reif, Anzeige in DIE ZEIT 17, 17.04.2019). Verbesserte Klimamodelle prognostizieren inzwischen sogar eine Erderwärmung von fünf Grad und mehr („Raum für böse Überraschungen“, DIE ZEIT, 25.04.2019).Der Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre ist bereits so hoch, wie vor etwa drei bis fünf Millionen Jahren im Pliozän, wie Potsdamer Forscher nachweisen konnten (Kohlendioxid-Gehalt so hoch wie seit drei Millionen Jahren nicht, SPIEGEL ONLINE, 08.04.2019). Damals gab es
einen Kohlendioxidgehalt von etwa 400 ppm (parts per million) und es war 3-4 Grad wärmer. Grönland war eisfrei und der Meeresspiegel war 15-20 Meter höher.
Und der CO2- Gehalt der Atmosphäre steigt unablässig weiter, so dass sich die Welt mit einer erdgeschichtlich beispiellosen Geschwindigkeit sogar auf noch sehr viel höhere Temperaturen zubewegt. Neben den ungebremsten menschlichen Emissionen treiben ja auch die weiter abnehmenden Kapazitäten der natürlichen Kohlenstoffsenken (schwindende Wälder und wärmer und saurer werdende Ozeane) und die zunehmende Freisetzung von Treibhausgasen durch den auftauenden Permafrost und brennende und verrottende Biomasse den CO2- Gehalt der Atmosphäre immer weiter in die Höhe. Die veränderte atmosphärische Zirkulation beschleunigt offensichtlich die Austrocknung der Vegetation und die abnehmende Wärmerückstrahlung (Albedo) aufgrund schwindender Eisflächen verstärkt die Erderwärmung zusätzlich. Weitere Kippelemente im Klimasystem könnten die Entwicklungen bald unumkehrbar machen.
„Um den globalen Temperaturanstieg bei 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu stoppen, muss der Ehrgeiz verdreifacht werden. Und um die Erhöhung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen die geplanten Reduzierungen der Treibhausgase mit fünf multipliziert werden “, meinte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas, Co-Vorsitzender der Science Advisory Group anlässlich des UN-Klimagipfels in New York (siehe Weltklima 2015-2019). Insofern müssen alle bisherigen „Selbstverpflichtungen“ zur Emissionsreduzierung und alle klimapolitischen Planungen als völlig unzureichend revidiert und entschieden verschärft werden.
Fridays for Future fordern Null Emissionen bis 2035 (Fridays for Future, Schüler stellen Forderungen - Wissenschaft stimmt zu - FOCUS Online, 08.04.2019) und Extinction Rebellion fordern in einer Petition an den Bundestag die Ausrufung des „Klimanotstands“ und Null Emissionen sogar bereits bis 2025, was physikalisch völlig begründet und notwendig ist. Es geht inzwischen eigentlich längst nicht mehr darum, wie viel wir noch emittieren dürfen, sondern darum, wie wir das viele CO2 in der Atmosphäre schnellstmöglich wieder auf weit unter 350 ppm verringern können, um irreversible Prozesse im Klimasystem noch zu verhindern. Eine Aufgabe, die man unverantwortlicherweise den kommenden Generationen überlassen will, während die Gegenwart die Lage immer weiter verschlimmert.
Alles läuft inzwischen auf einen „Disastrous Climate Change“, einen katastrophalen Klimawandel hinaus, den es laut Artikel 2 der völkerrechtlich verbindlichen Klimarahmenkonvention (UNFCCC) gerade zu verhindern gilt.
Das Risiko der Zerstörung der Lebensräume von Milliarden Menschen, aus kurz- und mittelfristigen Macht- und Profitinteressen in Kauf zu nehmen und das Klima- und Erdsystem möglicherweise irreversibel zu destabilisieren, ist ein Verbrechen an der Zukunft der Menschheit.
Der Totalitarismus der Gegenwart auf Kosten der Zukunft
Seit der Umwelt- und Klimakonferenz in Rio im Jahr 1992, hat sich das weltweite Bruttoinlandsprodukt mehr als verdreifacht und die weltweiten CO2- Emissionen und die Zahl der Autos haben sich verdoppelt.
Weltweit wächst der Wohlstand, doch dieses Wachstum wird zunehmend zu einer Bedrohung für das Leben. Wir verbrauchen die Substanz des Planeten, ohne dass diese sich noch regenerieren kann.
Unsere derzeitige Wirtschafts– und Lebensweise ist bekanntlich eine exklusive „Imperiale Lebensweise“ (UlrichBrand/Markus Wissen, Imperiale Lebensweise, 2017), die auf der Ausplünderung und Ausbeutung des Planeten und des Südens beruht und die Folgen, in Form von Abfällen und Treibhausgasen exportiert bzw. externalisiert. Doch der Zugriff des „weißen“ Imperiums ist total, er beschränkt sich nicht auf die Gegenwart, er umfasst auch die Vergangenheit und sogar die Zukunft. Die in Jahrmillionen akkumulierten Leistungen der Biosphäre, endliche Rohstoffe und Brennstoffe werden ohne Rücksicht auf die Interessen und Rechte der kommenden Generationen verbraucht und künftiger Nutzung entzogen. Die Gegenwart überlastet dabei die Gemeinschaftsgüter (Commons) der Erde sogar derartig (z.B. die Wälder und Ozeane als Kohlenstoffsenken), dass sie ihre Leistungsfähigkeit verlieren, womit die Zukunft nicht nur enteignet, sondern faktisch unmöglich gemacht wird. Wir verprassen also nicht nur in einer beispiellosen Verschwendungsorgie, was für alle und tausende von Jahren reichen könnte und sollte; -nein damit nicht genug, wir zerstören sogar, wahrscheinlich irreversibel, die Reproduktionsfähigkeit der natürlichen Lebensgrundlagen, also die Fähigkeit der Biosphäre, Kohlendioxid aufzunehmen, die Temperatur zu regulieren und Sauerstoff zu produzieren und ausreichende
Biomasse, als Grundlage der Nahrungsketten, um nur einiges zu nennen. Es droht der baldige, weitgehende Kollaps der lebenserhaltenden Biosphäre.
Alexander Gerst sah aus seiner Raumstation im Sommer 2018 ein braun und gelb verfärbtes Europa und meinte:

„Wenn ich auf den Planten Erde hinunterschaue, dann denke ich, dass ich mich bei euch entschuldigen muss, weil wir, meine Generation, unseren Planeten nicht im besten Zustand hinterlassen werden…“. Was sehr zurückhaltend formuliert ist, aber zumindest die Ahnung enthält, dass gerade Unrecht geschieht und Rechte verletzt werden. Es offenbart sich ein weiteres fatales Demokratiedefizit,- nicht nur der globale Süden und die Natur befinden sich in einem weitgehend rechtlosen und ungeschützten Zustand, sondern auch die kommenden Generationen. Man könnte von einem Totalitarismus der Gegenwart auf Kosten der Zukunft sprechen, da die Zukunft bisher im System quasi nicht vorkommt, denn „Die Zukunft flüstert, aber die Gegenwart brüllt“, -zumindest war es bisher so.
Es ist keineswegs so, dass die Zukunft die Gegenwart bedroht, wie manche meinen und dabei Ursache und Wirkung verwechseln, sondern unsere naturvergessene Gegenwart vernichtet gerade das Leben und die Lebensgrundlagen und damit die Zukunft der Menschheit. Die bisher von keinerlei Unrechtsbewusstsein getrübte Zukunftsvision der Sachwalter der Gegenwart ist eine zeit- und raumgreifende Verlängerung und Ausdehnung der Gegenwart und der Kapitalakkumulation ins Unendliche, ein exponentielles Wachstum des Existierenden. Doch das ist völlig unrealistisch, das ist eine negative Utopie, für die kein Platz auf der Erde ist und die das Leben bedroht.
Die Megamaschine frisst ihre Kinder
Doch die im Inneren des megamaschinellen Getriebes zunehmend herrschende Gefühls- und Schmerzunempfindlichkeit und eine wachsende Entfremdung vom Lebendigen bewirken, dass der unübersehbar fortschreitende Verlust des Lebens und selbst die drohende Überlebenskrise der eigenen Gattung kaum bemerkt werden.
Nicht zufällig sind es junge Menschen, die ja noch lebendig, empfindend und weniger gepanzert sind, die „for Future“ demonstrieren, während die Älteren eher ihre Besitzstände in der Gegenwart bewahren wollen.
Greta Thunberg:“ Unsere Zivilisation wird dafür geopfert, dass eine sehr kleine Anzahl von Menschen weiterhin enorme Mengen von Geld machen kann. Unsere Biosphäre wird geopfert, damit reiche Menschen in Ländern wie meinem in Luxus leben können. Es sind die Leiden der vielen, die für den Luxus der wenigen bezahlen“. Die Gegenwart bietet den kommenden Generationen einen denkbar schlechten „No Future-Deal“ an:
„Ihr kauft weiter unsere Sachen und spielt weiter unsere Spiele und wir hinterlassen euch dafür die Erde als Wüste, mit nicht mehr allzu vielen Vorräten. Aber natürlich habt ihr die Freiheit in der Wüste nach Wasser zu bohren und Bäume zu pflanzen,- vielleicht bringt ihr das Klima ja wieder in Ordnung…“.
Vielleicht aber auch nicht. Der frühere US-Außenminister John Kerry sprach auf der Münchner Sicherheitskonferenz von einem "gemeinsamen Selbstmordplan", den die Welt verfolge – da nicht das getan werde, "was getan werden muss" („Das ist ein gemeinsamer Selbstmordplan“, Klimareporter, 17.02.2019).
Doch man muss es mal beim Namen nennen, was hier ins Werk gesetzt wurde und wird ist weder ein unvermeidbares Unglück und auch kein gemeinsamer Selbstmordplan, sondern fahrlässige, wenn nicht gar vorsätzliche Tötung. Man kann den Milliarden Armen dieser Erde, die kaum zum Klimawandel beigetragen haben und den kommenden Generationen (zumal den noch Ungeborenen) kein Einverständnis mit diesem Wahnsinn unterstellen, wie die weltweiten Klimademonstrationen und eine anwachsende Flut von Klimaklagen belegen (siehe: Anne Kling, „Klimawandel und Menschenrechte - können es die Gerichte richten?“, Heinrich-Böll-Stiftung, 05. März 2019). Es handelt sich bei der, aus niedrigen Beweggründen, wie Gier, Macht- und Besitzstreben herbeigeführten Klimakatastrophe nicht nur um eine Menschenrechtsverletzung größten Ausmaßes, sondern in letzter Konsequenz um den größten Massenmord der Geschichte, denn Politik und Konzerne wussten und wissen seit 30 Jahren, was sie tun und welches Risiko sie in Kauf nehmen (Benjamin Franta, Sie wussten, was sie tun, Blätter, 11`18). Doch nicht nur die Politik und die fossilen Großkonzerne, wir alle wissen und ahnen seit langem, was wir tun. Und wir alle sind in der Verantwortung dafür, dass das Leben weitergeht und weitergehen kann. Wir haben die Älteren seinerzeit gefragt, wie konntet ihr die Verbrechen der Nazizeit zulassen, -ihr habt es doch gewusst, ihr konntet es wissen… Unsere Kinder und Enkel fragen uns heute wieder: „ Wie konntet und könnt ihr die Klimakatastrophe und die Zerstörung der Lebensgrundlagen zulassen?
Ihr wart und seid doch bestens informiert über die Zerstörungen und die Veränderungen überall. Ihr kennt den Preis Eures Wohlstands und Eurer Bequemlichkeit. Und ihr lebt in keiner Diktatur… Wie könnt ihr es zulassen?".
Wir können es nicht zulassen! „Wo Recht missachtet wird und Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Die protestierenden Schüler und Studenten (Fridays for Future) haben alles Recht der Welt, im Namen all der kommenden Generationen dem Wahnsinn des „Weiter so“ Einhalt zu gebieten und ihr Lebensrecht zu verteidigen. Sie stellen die unabweisbaren Fragen, die wir jetzt beantworten müssen. Wir haben die Pflicht, ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen und alles Menschenmögliche zu tun, um die Erde im „grünen Bereich" zu halten. Jede Affirmation des Bestehenden ist inzwischen eine Affirmation der Katastrophe,- es gilt den notwendigen Bruch mit der zerstörerischen Kontinuität des „weiter so“, zumindest zu denken.
Ungerechtigkeit im Treibhaus
Die Erde befindet sich auf dem Weg in eine beispiellose Klimakatastrophe, mit Folgen, deren Ausmaß wir bisher nur ansatzweise überblicken und die weder beherrschbar, noch rückgängig zu machen sein werden.
Die Indianer haben die Folgen ihres Tuns bis in die 7. Generation bedacht. Wir haben uns dagegen bisher das Zehnfache dessen genommen, was uns zugestanden hätte,- weil es so billig war und haben entsprechend viele Abfälle und Treibhausgase verursacht. Wenn wir nur die Rechte und Ansprüche der nächsten drei Generationen beachten würden, dann dürften wir nur noch ein Viertel des Jetzigen verbrauchen und emittieren und Energie und Rohstoffe müssten viermal so teuer sein.
Unter dem Aspekt der Klimagerechtigkeit hätten die westlichen Industrieländer längst kein Recht mehr auf irgendwelche Treibhausgasemissionen. Deutschland zum Beispiel hat bereits mehrere hundert Millionen Autos auf die Welt losgelassen und damit sein Mobilitätsbudget längst ausgeschöpft.
Auf jährlich etwa 800000 Neugeborene in Deutschland, kommen ca.12 Millionen von deutschen Autokonzernen weltweit hergestellte Autos,- das ist ein Verhältnis von 1: 17. Global haben wir ein Verhältnis von 1: 1,- auf jährlich 80 Millionen neue Erdenbürger kommen etwa 80 Millionen neue Autos, was natürlich auch nicht klimafreundlich oder zukunftsfähig ist. Ein Verhältnis von 1:17 allerdings ist bereits nekrophil, es bezeugt nicht nur ungeheuren Reichtum, sondern auch das ungeheure Missverhältnis zwischen dem Leben und toten Dingen in unserer Gesellschaft. Es zeigt die wachsende Übermacht des Toten und eine nekrophile Tendenz gegen das Leben. Das Anthropozän (Zeitalter des Menschen) erweist sich auch hier zusehends als Nekrozän (Zeitalter des Todes und des Toten).
Mit unserem exzessiven Energie- und Rohstoffverbrauch haben wir bisher bereits ungeheuren Schaden angerichtet und von der Substanz gelebt und damit eigentlich unbezahlbare Schulden (z.B. in Form von Treibhausgasemissionen) zu Lasten unseres Heimatplaneten, der Armen dieser Welt und der kommenden Generationen aufgehäuft. Alle Konten sind längst überzogen, alle Senken überlastet, jeder Kredit bei der Natur ist aufgebraucht und der ruinöse Bankrott des ganzen Systems Erde ist schon sehr bald unvermeidlich, was langfristig Milliarden Menschen das Leben kosten und zur weitgehenden Auslöschung des Lebens auf der Erde führen wird. Verbrauch und Emissionen müssen sich in kürzester Zeit auf ein Zehntel reduzieren. Dies wird nur möglich sein, wenn die Energie -und Rohstoffpreise sehr bald die vielfache Übernutzung und Überlastung der Natur widerspiegeln und die Freisetzung von Treibhausgasen nicht mehr faktisch kostenlos ist.
Was zu billig ist, wird verschwendet und hat scheinbar keinen Wert. Und die fossilen Brennstoffe und viele Rohstoffe waren und sind viel zu billig, denn die Nebenwirkungen und Risiken ihrer Förderung und Nutzung (Verbrennung) und die daraus resultierenden verheerenden Folgekosten sind nicht in den Preisen enthalten.
Auch das Emittieren von CO2 ist viel zu billig, obwohl es uns und die Generationen nach uns so teuer zu stehen kommen wird (eine Tonne CO2 verursacht laut Umweltbundesamt Schäden in Höhe von 180 Euro, Hohe Kosten durch unterlassenen Umweltschutz | Umweltbundesamt | PM Nr. 37/2018 vom 20.11.2018). Mit ihrem geplanten, völlig absurden Einstiegspreis von nur 10 € pro Tonne CO2, das ist etwa ein Drittel des derzeit aktuellen Preises im europäischen Emissionshandel, belegt diese Bundesregierung erneut eindringlich, wie weit sie mit ihrer symbolischen Klimapolitik von der Realität der Klimakatastrophe und den berechtigten Forderungen der Klimabewegung und der Wissenschaft entfernt ist und wessen Interessen sie wirklich vertritt. Diese Regierung steht für die Verlängerung der Vergangenheit und nicht für die Ermöglichung der Zukunft.
Wir werden bald feststellen, dass der Ausfall vieler Leistungen der Biosphäre nicht wieder gutzumachen sein wird. Ohne intaktes Leben, also ohne eine funktionierende, die Lebensvoraussetzungen aufrechterhaltende
Biosphäre, ist aber die weitere dauerhafte Existenz der Menschheit nicht möglich. Neben der Destabilisierung vieler biogeochemischer Regelkreise des Systems Erde, droht auch ein vielfacher Peak Everything, nicht nur beim Öl, sondern z.B. auch bei Wasser, Böden, Holz und Phosphor, der ein weiter so wie bisher schon bald unmöglich machen und die Armen zuerst und am härtesten treffen wird.
Indem wir ihre Leistungsfähigkeit zerstören und ihre Ressourcen verbrauchen, entwerten wir die Natur, womit wir gleichzeitig die Schwachen und ohnehin Armen dieser Welt und alle kommenden Generationen enteignen und zu Elend und Tod verurteilen.
Die Armen sterben zuerst
Noch können wir uns für das Leben entscheiden,- aber wenn wir weiter machen wie bisher, entscheiden wir uns für den Tod. Nicht für unseren eigenen, wozu wir ja das Recht hätten, sondern für den Tod sehr vieler Menschen in den armen Ländern und für den Tod, besser das nicht mehr leben können der künftigen Generationen und für den Tod des Planeten Erde, der möglicherweise in einen leblosen Zustand übergehen wird. Dazu haben wir kein Recht, das ist ein Verbrechen!
Ein amerikanischer Professor verkündet in National Geografic der Herren eigenen, sozialdarwinistischen Geist:
„Durch den Klimawandel wird sich die Weltbevölkerung um 3-4 Milliarden Menschen verringern, -dann haben wir kein Klimaproblem mehr!“ Das menschenverachtende 20. Jahrhundert war offensichtlich nur ein Vorspiel.
Allerdings ist das eine doppelt falsche Einschätzung, denn einmal verursachen nicht die afrikanischen, asiatischen und südamerikanischen Kleinbauern die Klimakatastrophe und zum anderen würde eine irreversible, sich selbst verstärkende Erderwärmung, auch die Villa des Professors erreichen.
Nicht Elend und Not von 2/3 der Menschheit, sondern Verschwendung und Gier von einem Drittel sind die Hauptursache der planetaren Krise. Gandhi sagte: „Die Erde hat genug für den Hunger aller Menschen, aber nicht genug für die Gier einiger.“ Doch die Armen sterben zuerst.
So werden laut einer Studie des Massachusetts Institut of Technology (MIT) mehrere hundert Millionen Menschen in Indien, Pakistan und Bangladesch bis zum Ende des Jahrhunderts ihre Heimat verlieren, weil diese nicht mehr bewohnbar ist. Man stirbt beim Aufenthalt im Freien aufgrund der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit. Die Bauern können also ihre Felder nicht mehr bewirtschaften und haben die Wahl zwischen Verhungern und Hitzschlag, da sie sich eine Umsiedlung nicht leisten können. Weite Landstriche werden darüber hinaus durch den Anstieg der Meere unbewohnbar werden (Bangladesch). Das weltweite Abschmelzen der Gletscher gefährdet zudem die Wasserversorgung von vielen hundert Millionen Menschen in Asien, Südamerika, aber auch in Europa.
Der Weltklimarat schreibt zu den Folgen der Klimakatastrophe:“In reicheren Gesellschaften (ein Fünftel der Menschheit verfügt über 85% des weltweiten BIP), geht es anfangs eher um den Verlust ökonomischer Werte,
in ärmeren, um starke Beeinträchtigungen der Gesundheit und den Verlust des Lebens…“
Nach Angaben der UNO sind alleine in Afrika 700 Millionen von 1.1 Milliarden Einwohnern durch den Klimawandel in ihrer Existenz gefährdet. Die Menschen, die kaum zum Klimawandel beigetragen haben, können ihm nicht entkommen und sich nicht vor ihm schützen und sterben zuerst, -wie ungerecht.
Dass die reichen Länder, Elend und Tod von zig Millionen Menschen als Kollateralschaden ihres unveränderten „Way of life“ in Kauf nehmen, sollte der vielbeschworenen westlichen „Wertegemeinschaft“ wenigstens bewusst sein. Die westlichen Herrschaftseliten meinen offenbar tatsächlich, den Krieg mit der Natur gewinnen zu können. Schon jetzt baut man die Deiche höher und auch die Mauern und Zäune an den Grenzen.
Man will die Klimakatastrophe, aber auch ihre Folgen -das Elend und die Not von 2/3 der Menschheit- aussperren, obwohl man sie selbst verursacht hat. Der Stacheldraht der neuen Klimaapartheid verläuft an den EU-Außengrenzen und zwischen den USA und Mexiko. Aber sowohl der Kapitalismus, als auch die Klimakatastrophe sind kein Schicksal, beide wurden und werden von Menschen gemacht.
Die Verantwortlichen gehören vor ein Klimatribunal
Statt zu löschen, hat man all die Jahre seit der Umweltkonferenz in Rio 1992 weiter Öl und Benzin ins Feuer geschüttet und die weltweiten Emissionen haben sich verdoppelt. Diese 25 Jahre der Globalisierung haben dem Planeten möglicherweise den Todesstoß versetzt.
Statt den Umbau Richtung Nachhaltigkeit in Angriff zu nehmen, wurde in einer Art totalen Mobilmachung, an allen Fronten expandiert. Mehr Autos, mehr Transporte, mehr Müll und vor allem mehr CO2. Mit Vollgas wurde nochmal richtig durchgestartet, allerdings in die falsche Richtung, „Wachsen oder Weichen“ war das Motto! Regionale, nachhaltige Lebens-und Wirtschaftsweisen blieben da massenhaft auf der Strecke.
Und auch nach dem Pariser Klimagipfel geht einfach alles weiter wie bisher. Man will es scheinbar auf die Katastrophe ankommen lassen, um dann sagen zu können: Jetzt ist es eh schon zu spät!
Die Sachwalter der Kapitalakkumulation sind dabei, aus dem Paradies Erde eine Hölle zu machen, doch sie haben offenbar noch nicht einmal begriffen, das alles auf dem Spiel steht.
Die nach uns Kommenden werden uns verfluchen! Und sie tun es bereits, -laut vernehmbar.
Doch sie haben kein Vetorecht in unserer vermeintlichen Demokratie, - es sei denn, sie nehmen es sich.
Hätten die Armen und Schwachen dieser Welt und all die kommenden Generationen Macht und Stimme bei der Entscheidung über die Zukunft des Planeten , dann wären die Verantwortlichen für den zerstörerischen Kurs der letzten Jahrzehnte längst abgelöst und müssten sich vor einem Klimatribunal wegen Genozid und Ökozid verantworten. Und es gäbe eine sofortige Vollbremsung bei den Emissionen.
Wir haben nicht das Recht, durch unsere verschwenderische Wirtschafts- und Lebensweise zig Milliarden noch Ungeborener zu Elend und Tod zu verurteilen!
Und wir haben nicht das Recht, das Wunder des Lebens auf dem Altar des Mammons zu opfern.
Unser „weiter so „ ist ein Verbrechen, - es nimmt den künftigen Tod von Millionen oder gar Milliarden Menschen wissentlich und billigend in Kauf,- genauso wie den unumkehrbaren Ökozid an der Erde.
Es gilt, die Verantwortlichen in Öl- und Energieunternehmen, Auto- Luftfahrt - und Rüstungskonzernen, in Banken und Regierungen beim Namen zu nennen und anzuklagen.
Der fossilistische Machtblock in Wirtschaft und Politik muss juristisch weiter unter Druck gesetzt werden.
Die Verantwortlichen verletzen nicht nur gröblichst die Vorsorgepflicht, sondern auch nationales und internationales Recht (F.Ekardt, Klimaklagen, 2018). Es gilt, nicht nur „Schaden vom deutschen Volke abzuwenden“, sondern auch „eine gefährliche Störung des Klimasystems“ zu vermeiden (Klimarahmenkonvention) und der Pariser Klima- Vertrag ist eine völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung.
Ein regelmäßig öffentlich tagendes Klimatribunal, ähnlich dem Vietnam-Kongress könnte die Öffentlichkeit informieren und aufrütteln.
Es braucht eine politische Heißzeit, um die drohende apokalyptische Klima- Heißzeit doch noch zu verhindern.
Der Widerspruch zwischen den Profitinteressen einiger und den Überlebensinteressen der vielen wird immer offensichtlicher. Es geht darum, die „Große Koalition“ des fossilen-mobil-monetären Machtkomplexes in Wirtschaft und Politik unter Druck zu setzen (siehe: Thilo Bode, Lobbyismus 2.0: Der industriell-politische Komplex, Blätter 10`18) und schnellstmöglich zu beenden.
Eine grundlegende Demokratisierung und Reformierung der Gesellschaft ist Voraussetzung, um die nötige ökologische Wende noch rechtzeitig auf den Weg zu bringen. Die neue Klimabewegung darf sich nicht mit wohlmeinenden Appellen und Forderungen begnügen und Unterschriften sammeln und Petitionen einreichen, sondern es muss realer Druck organisiert werden: auf der Straße, durch Aufklärung der Öffentlichkeit, durch zivilen Ungehorsam, Blockaden, politische Streiks, Boykottaufrufe (z.B. gegen VW und RWE).
Der Transformationsdruck gegen die „Große“ Blockade der Verteidiger des Status quo wächst bereits beständig, doch er muss weiter erhöht werden. 50 Jahre nach 68 und fast 30 Jahre nach der ostdeutschen Demokratiebewegung von 89 braucht es eine Bewegung ähnlichen Ausmaßes, um diesen in Jahrzehnten gewachsenen Machtfilz zurückzudrängen.
Der Globale Klimastreik am 20.09.2019 mit 1,4 Millionen Demonstranten allein in Deutschland, markierte möglicherweise den Beginn eines globalen Erwachens, das die Welt grundlegend verändern könnte.
Herbert Grönemeyers Song „Kinder an die Macht“ hat in den letzten Monaten eine völlig neue Dimension und Aktualität bekommen, denn ein weltweiter Macht –und Generationenwechsel ist offenbar überfällig, um das Klima-und Erdsystem noch stabilisieren zu können,- „Gebt den Kindern das Kommando…!“.
So etwas gab/gibt es übrigens als Ritual bei afrikanischen Stämmen, wo nach 30 Jahren in einer Zeremonie die Macht an die nächste Generation übergeben wird. Doch hierzulande räumen die alten Mächte ihre in Jahrzehnten ausgebauten Machtpositionen nicht freiwillig, sondern sie müssen dazu gezwungen werden.
Auch in Deutschland geht es längst nicht mehr nur um die Rücknahme und Nachbesserung des „Klimapakets“, sondern um die Ausrufung des Klimanotstands (wie in Österreich) und den Rücktritt dieser Bundesregierung und schnelle Neuwahlen. Es braucht jetzt einen breiten Schulterschluss der Kräfte der Vernunft, all derer, denen die Ermöglichung einer lebenswerten Zukunft wichtiger ist, als die Bewahrung der Vergangenheit.
Frieden und Gerechtigkeit
Die Erde ist unser einzig möglicher Handlungsrahmen und ihre Stabilität und ihr Funktionieren sind die Grundlage des Fortbestandes des Lebens und also auch des menschlichen Lebens. Insofern sind wir ihren Gesetzen unterworfen und können sie nicht beliebig verletzen, bei Strafe des Nicht Seins. Insofern ist wahre Freiheit, Einsicht in diese Notwendigkeit.
Doch die politisch Verantwortlichen befinden sich offenbar in einem interessegeleiteten Verblendungszustand, der sie gegen eine realistische Wahrnehmung der drohenden Gefahren regelrecht immunisiert und sich ein „Weiter so“, als das kleinere Übel vorstellt. Sie sind nicht willens und in der Lage, der Herausforderung Klimakatastrophe zu begegnen und verfolgen weiterhin prioritär kurz- und mittelfristige Macht- und Wachstumsziele, was allenfalls symbolische Klimapolitik zulässt. Die Mächtigen sind offensichtlich nicht fähig, „die Harmonie zwischen Himmel und Erde zu bewahren“, wie es im Alten China hieß. Es regiert das vermeintlich kleinere Übel, dessen gemeinsamer Nenner ist, dass es möglichst lange so weitergeht wie bisher; womit man die Zukunft zu sichern meint, -sie aber gerade dadurch verspielt. Denn wenn wir uns nicht schnellstens den Spielregeln des Planeten anpassen, werden wir den Planeten bald so verändert haben, dass wir uns nicht mehr anpassen können.
Wir werden erdsystemkompatibel sein oder wir werden nicht sein. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Die einzig mögliche Realpolitik angesichts der drohenden Klimakatastrophe ist eine sofortige, entschlossene Rettungspolitik für die Erde und damit für die Menschheit, zumal wenn eine Stabilisierung des Klima- und Erdsystems nur noch kurze Zeit möglich ist.
Es braucht einen baldigen deutschen, europäischen und globalen Aufbruch, sehr viele große und kleine Schritte überall auf der Welt, denn unsere derzeitige „Komfortzone“ (Greta Thunberg) ist in Wirklichkeit eine Todeszone, die wir in der Tat schnellstmöglich verlassen müssen, wenn das Leben eine Zukunft haben soll.
Es muss das Primat einer vernunftgeleiteten Politik durchgesetzt werden, die die Gemeinwohlinteressen und langfristigen Überlebensinteressen gegen kurzfristige Sonderinteressen durchsetzt.
Leben für die Zukunft - Zukunft für das Leben oder Zukunft für Alle- Alle für die Zukunft, das wäre das Leitmotiv einer sozialökologischen Wende.
Eine tatsächlich wirksame Rettungspolitik kann nur eine Politik des Ausgleichs und der Gerechtigkeit sein und muss gleiche Lebenschancen für alles Leben, für andere Kulturen und für all die kommenden Generationen respektieren. Denn „Nur Gerechtigkeit führt zum Frieden mit der Natur und zum Frieden unter den Menschen.“ (Indianisch).
Bei den Indianern des Nordwestens gab es den Brauch des Potlatsch, das ist das Verschenken und Vernichten angesammelter Güter und Reichtümer, um die Gleichheit und Verbundenheit in der Gemeinschaft zu wahren und zu festigen. Genau darum geht es heute im globalen Maßstab. Der Westen muss endlich seine historische Klimaschuld abzahlen und abarbeiten. Ein Erlass aller Schulden des Südens wäre dazu ein erster Schritt. Doch es geht um mehr, nämlich um nicht weniger als um die freiwillige, bewusste Umverteilung, das Verschenken und die gezielte Vernichtung (auf friedlichem Wege) von all dem Kapital und Vermögen, dass sich in Jahrhunderten der Ausbeutung von Mensch und Natur in den „Metropolen“ angesammelt hat.
Gigantische Summen, gigantische Beträge, die sich immer weiter vermehren wollen und müssen und für ihre ökonomische In-Wert-Setzung, die Natur, die Kulturen und die Welt entwerten.
Solange wir diesen Anspruch auf Wert und seine Realisierung als Geschäftsgrundlage der Gesellschaft akzeptieren, solange wir die erweiterte Reproduktion des Falschen als gesellschaftliche Grundprämisse hinnehmen, ist es müßig von Beschränkung und einer Rückkehr in den Rahmen der Natur zu sprechen.
Die Gegenwart zerstört und verspielt dann weiter, was ihr gar nicht gehört, die Natur und die Zukunft.
Wenn wir wirklich ernsthaft etwas über Klimaschutz sagen wollen, können wir vom Kapitalismus, seinen immanenten Wachstumszwängen, von Ausbeutung, Schuld, Macht und Ungerechtigkeit nicht schweigen.


Jürgen Tallig 2017/ 2018/2019 tall.j@web.de
https://earthattack-talligsklimablog.jimdofree.com/


Literatur:
U.Brand/M.Wissen, Imperiale Lebensweise, 2017
F.Ekardt, Paris- Abkommen, Menschenrechte und Klimaklagen, 2018
Götz Brandt, Leben in der Vielfachkatastrophe, 2013
David Wallace-Wells, „Der Planet schlägt zurück“ (dt. im „Freitag“,20.07.2017)
Fred Luks, Die Zukunft des Wachstums, 2001
WBGU, Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation, Hauptgutachten 2011
WBGU, Zivilisatorischer Fortschritt innerhalb planetarischer Leitplanken, 2014
WBGU, Klimaschutz als Weltbürgerbewegung, Sondergutachten 2014
WBGU, Entwicklung und Gerechtigkeit durch Transformation, Sondergutachten 2016
Naomi Klein, „Kapitalismus vs. Klima“, 2015
Jürgen Tallig, „Letzte Ausfahrt Paris“, Umwelt aktuell 12. 2015/01.2016
„Rasante Zerstörung des Blauen Planeten“ Umwelt aktuell 12.2016/01.2017
„Erderwärmung außer Kontrolle?“ 2019, Online- Zeitschrift „scharf-links“

 

 

  Ungerechtigkeit im Treibhaus oder die Freiheit der Anderen
Unsere „Imperiale“ Wirtschafts- und Lebensweise enteignet die Armen und Schwachen dieser Welt und alle kommenden Generationen. Sie überlastet und destabilisiert das Klima- und Erdsystem und gefährdet damit den Fortbestand des Lebens und das Überleben der Menschheit.
Vier Jahre nach der historischen Pariser Klimakonferenz muss eine verheerende Bilanz der weltweiten klimapolitischen Bemühungen gezogen werden. Die Welt steuert ungebremst, ja sogar beschleunigt auf eine globale Katastrophe zu. Die Jahre 2015 bis 2019 signalisierten mit weltweiten Hitzewellen und Dürren, austrocknenden Flüssen und verheerenden Waldbränden eine beschleunigte globale Erwärmung und die weltweiten CO2-Emissionen sind im Jahr 2017 um 1.7% und im Jahr 2018 sogar um über 2 % gestiegen (Weltklima 2015-2019: Der Klimawandel beschleunigt sich, oekonews.at, 22.09.2019).
Die Welt steuert ungebremst, ja sogar beschleunigt auf eine globale Katastrophe zu. Die Erderwärmung ist dabei, sich zu verselbständigen und selbst zu verstärken und dürfte bald nicht mehr zu stoppen sein.
30 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR ist viel von der Freiheit die Rede, die damals erkämpft wurde oder triumphal Einzug hielt,- wie auch immer man das sehen will. „Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.“ nach Rosa Luxemburg, erwies sich als wahrer Spreng-“Satz“, der das labile System erschütterte und zum Einsturz brachte. Heute ist die Freiheit wieder bedroht und es ist höchste Zeit, uns zu erinnern: Die Freiheit ist immer die Freiheit der anderen.
Die Freiheit aller kommenden Generationen steht mittlerweile auf dem Spiel, denn unsere angemaßte und missbrauchte Freiheit bedeutet nicht weniger als ihre künftige Unfreiheit. Wir schaffen Tatsachen, die von den kommenden Generationen nicht wieder korrigiert werden können und ihre Lebensmöglichkeiten und Handlungsspielräume auf ein Minimum reduzieren.
Unsere derzeitige verschwenderische Wirtschafts- und Lebensweise ist angesichts der drohenden Gefahren,
völlig absurd, unsittlich, ja verbrecherisch und bedroht das Leben der Armen und Schwachen dieser Welt und das der vielen Milliarden Menschen, die noch nach uns auf der Erde leben wollen..
Alleine die jährlichen Staus in Deutschland reichen 38-mal um die Erde und unsere CO2-Emissionen betragen mehr als das Zehnfache dessen, was der schwer geschädigte deutsche Wald noch aufnehmen kann.
Unsere angeblichen Freiheitsrechte auf Reichtum, Konsum und Mobilität gefährden die grundlegenden Menschenrechte unserer Kinder und Enkel auf Leben und Gesundheit, denn durch unser Nichthandeln versäumen wir gerade die letzte Möglichkeit für eine Begrenzung der Klimakatastrophe. Das ist nicht nur verantwortungslos und ungerecht, sondern ein Verbrechen,- begangen ohne Not.
Die Tatsache, dass wir vor den Anderen leben, gibt uns nicht das Recht, ihr Leben unmöglich zu machen.
Schon Kants kategorischer Imperativ forderte: „Handle so, dass Dein Handeln Maßstab für das Handeln aller sein kann.“. Die Maßstäbe, die wir setzen sind nicht verallgemeinerbar, da sie die Planetaren Grenzen missachten und die Grundlagen des Lebens zerstören.
Wir wissen längst, dass unsere Wirtschafts- und Lebensweise nicht für alle möglich ist, heute nicht und noch weniger in der Zukunft, trotzdem halten wir nachwievor selbstverständlich daran fest. Wir wissen auch, dass wir möglicherweise gerade irreversibel das Klima destabilisieren und andere Kulturen und die Biosphäre zerstören und trotzdem geht alles so weiter wie bisher. Ein zynischer Spruch spitzt es so zu: „Und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen SUV kaufen.“
Die Freiheit, die wir uns heute herausnehmen, werden die nach uns Kommenden nicht mehr haben. Doch was kümmert uns die Freiheit der anderen…? Offenbar nichts, selbst wenn es sich um unsere Kinder, Enkel und Urenkel handelt. Wir lassen Ihnen faktisch keine Wahl, selbst zu entscheiden, ob und wie sie leben wollen.
Sie haben die Freiheit zu protestieren, -immerhin- und die Politik hat die Freiheit ihre Proteste zu ignorieren.
Die westliche Freiheit war schon immer exklusiv und sie wird immer exklusiver. Wurde früher nur der Süden ausgeschlossen, die Indianer, die „Neger“, der Jude und die Frau, wird jetzt die gesamte Zukunft der Barbarei
eines archaischen Überlebenskampfes überlassen und so zum rechts- und kulturfreien Raum in dem unsere Werte und Normen keine Gültigkeit mehr haben. Wir machen unsere Enkel und Urenkel zu Menschen zweiter Klasse, deren unangenehmes Leiden und Sterben in einer entfesselten, lebensfeindlichen Welt, wir uns lieber
gar nicht vorstellen wollen. Nicht nur, dass wir sie faktisch enteignen und der Möglichkeit künftiger selbstbestimmter Lebensgestaltung berauben, wir berauben sie auch unseres Mitgefühls und unserer Solidarität,- wir verraten sie und lassen sie allein. Was ist das für eine Freiheit?
Wenn wahre Freiheit die Freiheit der anderen impliziert, dann kann es sie ohne Gerechtigkeit nicht geben, die Leben und Freiheit zulässt, um uns und nach uns. Eine exklusive Freiheit nur für uns, die die Freiheit der Anderen ausschließt, ist unmöglich, da dies nicht nur das Ende der Freiheit, sondern auch das Ende des Lebens bedeuten würde.
Mit dem weiteren Ausleben unserer vermeintlichen Freiheit, mit einem „Weiter so“, würden wir den Planeten unwiderruflich in eine lebensfeindliche Heisszeit befördern und die Lebensgrundlagen für alle kommenden Generationen vernichten. Das ist die Konsequenz unseres jetzigen Handelns und keine Generation nach uns kann dies wieder rückgängig machen. Wie ungerecht.
Wir sind längst Richter und Henker,- ohne das Recht dazu zu haben; wir sind es, ohne es zu wollen und ohne die ungeheure Verantwortung, die da plötzlich auf unseren Schultern liegt, wirklich begriffen zu haben.
Die Frage der Gerechtigkeit hat inzwischen eine zentrale Bedeutung. Angesichts der Klimaproteste, der drohenden Vielfachkatastrophe (siehe Götz Brandt, Leben in der Vielfachkatastrophe, 2013) und der absehbar wachsenden Flüchtlingsströme, bei gleichzeitig zunehmender besitzstandswahrender Wagenburgmentalität, stellt sich drängender denn je die Frage nach einer gerechten, zukunftsfähigen Gesellschaft.
Die Erklärung der Menschenrechte ist bekanntlich eine Allgemeine und ihre Gültigkeit ist nicht zeitlich befristet.
Gerechtigkeit bedeutet demnach gleiche Menschenrechte für alle, -das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gilt auch für die Armen und Schwachen dieser Welt und für alle kommenden Generationen.
Sie haben dasselbe Recht zu leben und die Güter und Leistungen der Erde in Anspruch zu nehmen, wie wir.
Eine so verstandene Gerechtigkeit bedeutet, dass wir nicht das Recht haben, die Rechte der anderen, zu beeinträchtigen und der uns eigentlich zustehende gerechte Anteil nur ein Bruchteil dessen wäre, was wir uns bisher aneignen und angeeignet haben. Angesichts der Klimakatastrophe gilt es zu erkennen, wie weit wir im Falschen sind und dass das westliche, fossil- expansive Wachstumsprojekt eine evolutionäre Fehlentwicklung ist, die den Fortbestand der Menschheit bedroht. Der Weg zur Veränderung beginnt damit, dass die westlichen Verschwendungsgesellschaften endlich ein Unrechtsbewusstsein entwickeln und sich der wirklichen Dimension, der von ihnen verursachten Naturzerstörung - und Überlastung bewusst werden.
Nicht nur die Emissionen, auch unser Energie- und Stoffumsatz muss sich schnellstmöglich um etwa den Faktor 10 reduzieren. Doch der übermächtige fossil- mobile, militärisch-monetäre, globalisierungsorientierte und wachstumsfixierte Machtkomplex in Wirtschaft und Politik blockiert seit 25 Jahren das notwendige, grundlegende Umsteuern und will auch jetzt noch einfach weitermachen wie bisher.
Das Zeitfenster hat sich fast geschlossen
„Ohne schnelle Reduktion von CO2 und anderen Treibhausgasen wird der Klimawandel immer zerstörerischer und hat immer mehr irreversible Folgen für das Leben auf der Erde“, sagt der Chef der Weltmeteorologie-Organisation (WMO) Petteri Taalas. „Das Zeitfenster, in dem wir etwas tun können, hat sich fast geschlossen“. „… Es ist längst zu erkennen, dass wir selbst bei Erfüllung des Pariser Klimavertrages auf eine Erderwärmung um 3 bis 4 Grad zusteuern“, meint Klaus Wiegandt, Vorstand der Stiftung „Forum für Verantwortung“. Dass diese „halbherzige Klimapolitik weiterhin ungestraft“ möglich ist, „liegt vor allem an der Unkenntnis breiter Bevölkerungsschichten über die bedrohlichste Folge eines ungebremsten Klimawandels, …großflächige Ernteausfälle auf allen Kontinenten. Der Kampf um Nahrung und Wasser wird bald zum Alltag gehören- auch in Europa.“ (Die Zeit ist reif, Anzeige in DIE ZEIT 17, 17.04.2019). Verbesserte Klimamodelle prognostizieren inzwischen sogar eine Erderwärmung von fünf Grad und mehr („Raum für böse Überraschungen“, DIE ZEIT, 25.04.2019).Der Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre ist bereits so hoch, wie vor etwa drei bis fünf Millionen Jahren im Pliozän, wie Potsdamer Forscher nachweisen konnten (Kohlendioxid-Gehalt so hoch wie seit drei Millionen Jahren nicht, SPIEGEL ONLINE, 08.04.2019). Damals gab es
einen Kohlendioxidgehalt von etwa 400 ppm (parts per million) und es war 3-4 Grad wärmer. Grönland war eisfrei und der Meeresspiegel war 15-20 Meter höher.
Und der CO2- Gehalt der Atmosphäre steigt unablässig weiter, so dass sich die Welt mit einer erdgeschichtlich beispiellosen Geschwindigkeit sogar auf noch sehr viel höhere Temperaturen zubewegt. Neben den ungebremsten menschlichen Emissionen treiben ja auch die weiter abnehmenden Kapazitäten der natürlichen Kohlenstoffsenken (schwindende Wälder und wärmer und saurer werdende Ozeane) und die zunehmende Freisetzung von Treibhausgasen durch den auftauenden Permafrost und brennende und verrottende Biomasse den CO2- Gehalt der Atmosphäre immer weiter in die Höhe. Die veränderte atmosphärische Zirkulation beschleunigt offensichtlich die Austrocknung der Vegetation und die abnehmende Wärmerückstrahlung (Albedo) aufgrund schwindender Eisflächen verstärkt die Erderwärmung zusätzlich. Weitere Kippelemente im Klimasystem könnten die Entwicklungen bald unumkehrbar machen.
„Um den globalen Temperaturanstieg bei 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu stoppen, muss der Ehrgeiz verdreifacht werden. Und um die Erhöhung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen die geplanten Reduzierungen der Treibhausgase mit fünf multipliziert werden “, meinte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas, Co-Vorsitzender der Science Advisory Group anlässlich des UN-Klimagipfels in New York (siehe Weltklima 2015-2019). Insofern müssen alle bisherigen „Selbstverpflichtungen“ zur Emissionsreduzierung und alle klimapolitischen Planungen als völlig unzureichend revidiert und entschieden verschärft werden.
Fridays for Future fordern Null Emissionen bis 2035 (Fridays for Future, Schüler stellen Forderungen - Wissenschaft stimmt zu - FOCUS Online, 08.04.2019) und Extinction Rebellion fordern in einer Petition an den Bundestag die Ausrufung des „Klimanotstands“ und Null Emissionen sogar bereits bis 2025, was physikalisch völlig begründet und notwendig ist. Es geht inzwischen eigentlich längst nicht mehr darum, wie viel wir noch emittieren dürfen, sondern darum, wie wir das viele CO2 in der Atmosphäre schnellstmöglich wieder auf weit unter 350 ppm verringern können, um irreversible Prozesse im Klimasystem noch zu verhindern. Eine Aufgabe, die man unverantwortlicherweise den kommenden Generationen überlassen will, während die Gegenwart die Lage immer weiter verschlimmert.
Alles läuft inzwischen auf einen „Disastrous Climate Change“, einen katastrophalen Klimawandel hinaus, den es laut Artikel 2 der völkerrechtlich verbindlichen Klimarahmenkonvention (UNFCCC) gerade zu verhindern gilt.
Das Risiko der Zerstörung der Lebensräume von Milliarden Menschen, aus kurz- und mittelfristigen Macht- und Profitinteressen in Kauf zu nehmen und das Klima- und Erdsystem möglicherweise irreversibel zu destabilisieren, ist ein Verbrechen an der Zukunft der Menschheit.
Der Totalitarismus der Gegenwart auf Kosten der Zukunft
Seit der Umwelt- und Klimakonferenz in Rio im Jahr 1992, hat sich das weltweite Bruttoinlandsprodukt mehr als verdreifacht und die weltweiten CO2- Emissionen und die Zahl der Autos haben sich verdoppelt.
Weltweit wächst der Wohlstand, doch dieses Wachstum wird zunehmend zu einer Bedrohung für das Leben. Wir verbrauchen die Substanz des Planeten, ohne dass diese sich noch regenerieren kann.
Unsere derzeitige Wirtschafts– und Lebensweise ist bekanntlich eine exklusive „Imperiale Lebensweise“ (UlrichBrand/Markus Wissen, Imperiale Lebensweise, 2017), die auf der Ausplünderung und Ausbeutung des Planeten und des Südens beruht und die Folgen, in Form von Abfällen und Treibhausgasen exportiert bzw. externalisiert. Doch der Zugriff des „weißen“ Imperiums ist total, er beschränkt sich nicht auf die Gegenwart, er umfasst auch die Vergangenheit und sogar die Zukunft. Die in Jahrmillionen akkumulierten Leistungen der Biosphäre, endliche Rohstoffe und Brennstoffe werden ohne Rücksicht auf die Interessen und Rechte der kommenden Generationen verbraucht und künftiger Nutzung entzogen. Die Gegenwart überlastet dabei die Gemeinschaftsgüter (Commons) der Erde sogar derartig (z.B. die Wälder und Ozeane als Kohlenstoffsenken), dass sie ihre Leistungsfähigkeit verlieren, womit die Zukunft nicht nur enteignet, sondern faktisch unmöglich gemacht wird. Wir verprassen also nicht nur in einer beispiellosen Verschwendungsorgie, was für alle und tausende von Jahren reichen könnte und sollte; -nein damit nicht genug, wir zerstören sogar, wahrscheinlich irreversibel, die Reproduktionsfähigkeit der natürlichen Lebensgrundlagen, also die Fähigkeit der Biosphäre, Kohlendioxid aufzunehmen, die Temperatur zu regulieren und Sauerstoff zu produzieren und ausreichende
Biomasse, als Grundlage der Nahrungsketten, um nur einiges zu nennen. Es droht der baldige, weitgehende Kollaps der lebenserhaltenden Biosphäre.
Alexander Gerst sah aus seiner Raumstation im Sommer 2018 ein braun und gelb verfärbtes Europa und meinte:

„Wenn ich auf den Planten Erde hinunterschaue, dann denke ich, dass ich mich bei euch entschuldigen muss, weil wir, meine Generation, unseren Planeten nicht im besten Zustand hinterlassen werden…“. Was sehr zurückhaltend formuliert ist, aber zumindest die Ahnung enthält, dass gerade Unrecht geschieht und Rechte verletzt werden. Es offenbart sich ein weiteres fatales Demokratiedefizit,- nicht nur der globale Süden und die Natur befinden sich in einem weitgehend rechtlosen und ungeschützten Zustand, sondern auch die kommenden Generationen. Man könnte von einem Totalitarismus der Gegenwart auf Kosten der Zukunft sprechen, da die Zukunft bisher im System quasi nicht vorkommt, denn „Die Zukunft flüstert, aber die Gegenwart brüllt“, -zumindest war es bisher so.
Es ist keineswegs so, dass die Zukunft die Gegenwart bedroht, wie manche meinen und dabei Ursache und Wirkung verwechseln, sondern unsere naturvergessene Gegenwart vernichtet gerade das Leben und die Lebensgrundlagen und damit die Zukunft der Menschheit. Die bisher von keinerlei Unrechtsbewusstsein getrübte Zukunftsvision der Sachwalter der Gegenwart ist eine zeit- und raumgreifende Verlängerung und Ausdehnung der Gegenwart und der Kapitalakkumulation ins Unendliche, ein exponentielles Wachstum des Existierenden. Doch das ist völlig unrealistisch, das ist eine negative Utopie, für die kein Platz auf der Erde ist und die das Leben bedroht.
Die Megamaschine frisst ihre Kinder
Doch die im Inneren des megamaschinellen Getriebes zunehmend herrschende Gefühls- und Schmerzunempfindlichkeit und eine wachsende Entfremdung vom Lebendigen bewirken, dass der unübersehbar fortschreitende Verlust des Lebens und selbst die drohende Überlebenskrise der eigenen Gattung kaum bemerkt werden.
Nicht zufällig sind es junge Menschen, die ja noch lebendig, empfindend und weniger gepanzert sind, die „for Future“ demonstrieren, während die Älteren eher ihre Besitzstände in der Gegenwart bewahren wollen.
Greta Thunberg:“ Unsere Zivilisation wird dafür geopfert, dass eine sehr kleine Anzahl von Menschen weiterhin enorme Mengen von Geld machen kann. Unsere Biosphäre wird geopfert, damit reiche Menschen in Ländern wie meinem in Luxus leben können. Es sind die Leiden der vielen, die für den Luxus der wenigen bezahlen“. Die Gegenwart bietet den kommenden Generationen einen denkbar schlechten „No Future-Deal“ an:
„Ihr kauft weiter unsere Sachen und spielt weiter unsere Spiele und wir hinterlassen euch dafür die Erde als Wüste, mit nicht mehr allzu vielen Vorräten. Aber natürlich habt ihr die Freiheit in der Wüste nach Wasser zu bohren und Bäume zu pflanzen,- vielleicht bringt ihr das Klima ja wieder in Ordnung…“.
Vielleicht aber auch nicht. Der frühere US-Außenminister John Kerry sprach auf der Münchner Sicherheitskonferenz von einem "gemeinsamen Selbstmordplan", den die Welt verfolge – da nicht das getan werde, "was getan werden muss" („Das ist ein gemeinsamer Selbstmordplan“, Klimareporter, 17.02.2019).
Doch man muss es mal beim Namen nennen, was hier ins Werk gesetzt wurde und wird ist weder ein unvermeidbares Unglück und auch kein gemeinsamer Selbstmordplan, sondern fahrlässige, wenn nicht gar vorsätzliche Tötung. Man kann den Milliarden Armen dieser Erde, die kaum zum Klimawandel beigetragen haben und den kommenden Generationen (zumal den noch Ungeborenen) kein Einverständnis mit diesem Wahnsinn unterstellen, wie die weltweiten Klimademonstrationen und eine anwachsende Flut von Klimaklagen belegen (siehe: Anne Kling, „Klimawandel und Menschenrechte - können es die Gerichte richten?“, Heinrich-Böll-Stiftung, 05. März 2019). Es handelt sich bei der, aus niedrigen Beweggründen, wie Gier, Macht- und Besitzstreben herbeigeführten Klimakatastrophe nicht nur um eine Menschenrechtsverletzung größten Ausmaßes, sondern in letzter Konsequenz um den größten Massenmord der Geschichte, denn Politik und Konzerne wussten und wissen seit 30 Jahren, was sie tun und welches Risiko sie in Kauf nehmen (Benjamin Franta, Sie wussten, was sie tun, Blätter, 11`18). Doch nicht nur die Politik und die fossilen Großkonzerne, wir alle wissen und ahnen seit langem, was wir tun. Und wir alle sind in der Verantwortung dafür, dass das Leben weitergeht und weitergehen kann. Wir haben die Älteren seinerzeit gefragt, wie konntet ihr die Verbrechen der Nazizeit zulassen, -ihr habt es doch gewusst, ihr konntet es wissen… Unsere Kinder und Enkel fragen uns heute wieder: „ Wie konntet und könnt ihr die Klimakatastrophe und die Zerstörung der Lebensgrundlagen zulassen?
Ihr wart und seid doch bestens informiert über die Zerstörungen und die Veränderungen überall. Ihr kennt den Preis Eures Wohlstands und Eurer Bequemlichkeit. Und ihr lebt in keiner Diktatur… Wie könnt ihr es zulassen?".
Wir können es nicht zulassen! „Wo Recht missachtet wird und Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Die protestierenden Schüler und Studenten (Fridays for Future) haben alles Recht der Welt, im Namen all der kommenden Generationen dem Wahnsinn des „Weiter so“ Einhalt zu gebieten und ihr Lebensrecht zu verteidigen. Sie stellen die unabweisbaren Fragen, die wir jetzt beantworten müssen. Wir haben die Pflicht, ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen und alles Menschenmögliche zu tun, um die Erde im „grünen Bereich" zu halten. Jede Affirmation des Bestehenden ist inzwischen eine Affirmation der Katastrophe,- es gilt den notwendigen Bruch mit der zerstörerischen Kontinuität des „weiter so“, zumindest zu denken.
Ungerechtigkeit im Treibhaus
Die Erde befindet sich auf dem Weg in eine beispiellose Klimakatastrophe, mit Folgen, deren Ausmaß wir bisher nur ansatzweise überblicken und die weder beherrschbar, noch rückgängig zu machen sein werden.
Die Indianer haben die Folgen ihres Tuns bis in die 7. Generation bedacht. Wir haben uns dagegen bisher das Zehnfache dessen genommen, was uns zugestanden hätte,- weil es so billig war und haben entsprechend viele Abfälle und Treibhausgase verursacht. Wenn wir nur die Rechte und Ansprüche der nächsten drei Generationen beachten würden, dann dürften wir nur noch ein Viertel des Jetzigen verbrauchen und emittieren und Energie und Rohstoffe müssten viermal so teuer sein.
Unter dem Aspekt der Klimagerechtigkeit hätten die westlichen Industrieländer längst kein Recht mehr auf irgendwelche Treibhausgasemissionen. Deutschland zum Beispiel hat bereits mehrere hundert Millionen Autos auf die Welt losgelassen und damit sein Mobilitätsbudget längst ausgeschöpft.
Auf jährlich etwa 800000 Neugeborene in Deutschland, kommen ca.12 Millionen von deutschen Autokonzernen weltweit hergestellte Autos,- das ist ein Verhältnis von 1: 17. Global haben wir ein Verhältnis von 1: 1,- auf jährlich 80 Millionen neue Erdenbürger kommen etwa 80 Millionen neue Autos, was natürlich auch nicht klimafreundlich oder zukunftsfähig ist. Ein Verhältnis von 1:17 allerdings ist bereits nekrophil, es bezeugt nicht nur ungeheuren Reichtum, sondern auch das ungeheure Missverhältnis zwischen dem Leben und toten Dingen in unserer Gesellschaft. Es zeigt die wachsende Übermacht des Toten und eine nekrophile Tendenz gegen das Leben. Das Anthropozän (Zeitalter des Menschen) erweist sich auch hier zusehends als Nekrozän (Zeitalter des Todes und des Toten).
Mit unserem exzessiven Energie- und Rohstoffverbrauch haben wir bisher bereits ungeheuren Schaden angerichtet und von der Substanz gelebt und damit eigentlich unbezahlbare Schulden (z.B. in Form von Treibhausgasemissionen) zu Lasten unseres Heimatplaneten, der Armen dieser Welt und der kommenden Generationen aufgehäuft. Alle Konten sind längst überzogen, alle Senken überlastet, jeder Kredit bei der Natur ist aufgebraucht und der ruinöse Bankrott des ganzen Systems Erde ist schon sehr bald unvermeidlich, was langfristig Milliarden Menschen das Leben kosten und zur weitgehenden Auslöschung des Lebens auf der Erde führen wird. Verbrauch und Emissionen müssen sich in kürzester Zeit auf ein Zehntel reduzieren. Dies wird nur möglich sein, wenn die Energie -und Rohstoffpreise sehr bald die vielfache Übernutzung und Überlastung der Natur widerspiegeln und die Freisetzung von Treibhausgasen nicht mehr faktisch kostenlos ist.
Was zu billig ist, wird verschwendet und hat scheinbar keinen Wert. Und die fossilen Brennstoffe und viele Rohstoffe waren und sind viel zu billig, denn die Nebenwirkungen und Risiken ihrer Förderung und Nutzung (Verbrennung) und die daraus resultierenden verheerenden Folgekosten sind nicht in den Preisen enthalten.
Auch das Emittieren von CO2 ist viel zu billig, obwohl es uns und die Generationen nach uns so teuer zu stehen kommen wird (eine Tonne CO2 verursacht laut Umweltbundesamt Schäden in Höhe von 180 Euro, Hohe Kosten durch unterlassenen Umweltschutz | Umweltbundesamt | PM Nr. 37/2018 vom 20.11.2018). Mit ihrem geplanten, völlig absurden Einstiegspreis von nur 10 € pro Tonne CO2, das ist etwa ein Drittel des derzeit aktuellen Preises im europäischen Emissionshandel, belegt diese Bundesregierung erneut eindringlich, wie weit sie mit ihrer symbolischen Klimapolitik von der Realität der Klimakatastrophe und den berechtigten Forderungen der Klimabewegung und der Wissenschaft entfernt ist und wessen Interessen sie wirklich vertritt. Diese Regierung steht für die Verlängerung der Vergangenheit und nicht für die Ermöglichung der Zukunft.
Wir werden bald feststellen, dass der Ausfall vieler Leistungen der Biosphäre nicht wieder gutzumachen sein wird. Ohne intaktes Leben, also ohne eine funktionierende, die Lebensvoraussetzungen aufrechterhaltende
Biosphäre, ist aber die weitere dauerhafte Existenz der Menschheit nicht möglich. Neben der Destabilisierung vieler biogeochemischer Regelkreise des Systems Erde, droht auch ein vielfacher Peak Everything, nicht nur beim Öl, sondern z.B. auch bei Wasser, Böden, Holz und Phosphor, der ein weiter so wie bisher schon bald unmöglich machen und die Armen zuerst und am härtesten treffen wird.
Indem wir ihre Leistungsfähigkeit zerstören und ihre Ressourcen verbrauchen, entwerten wir die Natur, womit wir gleichzeitig die Schwachen und ohnehin Armen dieser Welt und alle kommenden Generationen enteignen und zu Elend und Tod verurteilen.
Die Armen sterben zuerst
Noch können wir uns für das Leben entscheiden,- aber wenn wir weiter machen wie bisher, entscheiden wir uns für den Tod. Nicht für unseren eigenen, wozu wir ja das Recht hätten, sondern für den Tod sehr vieler Menschen in den armen Ländern und für den Tod, besser das nicht mehr leben können der künftigen Generationen und für den Tod des Planeten Erde, der möglicherweise in einen leblosen Zustand übergehen wird. Dazu haben wir kein Recht, das ist ein Verbrechen!
Ein amerikanischer Professor verkündet in National Geografic der Herren eigenen, sozialdarwinistischen Geist:
„Durch den Klimawandel wird sich die Weltbevölkerung um 3-4 Milliarden Menschen verringern, -dann haben wir kein Klimaproblem mehr!“ Das menschenverachtende 20. Jahrhundert war offensichtlich nur ein Vorspiel.
Allerdings ist das eine doppelt falsche Einschätzung, denn einmal verursachen nicht die afrikanischen, asiatischen und südamerikanischen Kleinbauern die Klimakatastrophe und zum anderen würde eine irreversible, sich selbst verstärkende Erderwärmung, auch die Villa des Professors erreichen.
Nicht Elend und Not von 2/3 der Menschheit, sondern Verschwendung und Gier von einem Drittel sind die Hauptursache der planetaren Krise. Gandhi sagte: „Die Erde hat genug für den Hunger aller Menschen, aber nicht genug für die Gier einiger.“ Doch die Armen sterben zuerst.
So werden laut einer Studie des Massachusetts Institut of Technology (MIT) mehrere hundert Millionen Menschen in Indien, Pakistan und Bangladesch bis zum Ende des Jahrhunderts ihre Heimat verlieren, weil diese nicht mehr bewohnbar ist. Man stirbt beim Aufenthalt im Freien aufgrund der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit. Die Bauern können also ihre Felder nicht mehr bewirtschaften und haben die Wahl zwischen Verhungern und Hitzschlag, da sie sich eine Umsiedlung nicht leisten können. Weite Landstriche werden darüber hinaus durch den Anstieg der Meere unbewohnbar werden (Bangladesch). Das weltweite Abschmelzen der Gletscher gefährdet zudem die Wasserversorgung von vielen hundert Millionen Menschen in Asien, Südamerika, aber auch in Europa.
Der Weltklimarat schreibt zu den Folgen der Klimakatastrophe:“In reicheren Gesellschaften (ein Fünftel der Menschheit verfügt über 85% des weltweiten BIP), geht es anfangs eher um den Verlust ökonomischer Werte,
in ärmeren, um starke Beeinträchtigungen der Gesundheit und den Verlust des Lebens…“
Nach Angaben der UNO sind alleine in Afrika 700 Millionen von 1.1 Milliarden Einwohnern durch den Klimawandel in ihrer Existenz gefährdet. Die Menschen, die kaum zum Klimawandel beigetragen haben, können ihm nicht entkommen und sich nicht vor ihm schützen und sterben zuerst, -wie ungerecht.
Dass die reichen Länder, Elend und Tod von zig Millionen Menschen als Kollateralschaden ihres unveränderten „Way of life“ in Kauf nehmen, sollte der vielbeschworenen westlichen „Wertegemeinschaft“ wenigstens bewusst sein. Die westlichen Herrschaftseliten meinen offenbar tatsächlich, den Krieg mit der Natur gewinnen zu können. Schon jetzt baut man die Deiche höher und auch die Mauern und Zäune an den Grenzen.
Man will die Klimakatastrophe, aber auch ihre Folgen -das Elend und die Not von 2/3 der Menschheit- aussperren, obwohl man sie selbst verursacht hat. Der Stacheldraht der neuen Klimaapartheid verläuft an den EU-Außengrenzen und zwischen den USA und Mexiko. Aber sowohl der Kapitalismus, als auch die Klimakatastrophe sind kein Schicksal, beide wurden und werden von Menschen gemacht.
Die Verantwortlichen gehören vor ein Klimatribunal
Statt zu löschen, hat man all die Jahre seit der Umweltkonferenz in Rio 1992 weiter Öl und Benzin ins Feuer geschüttet und die weltweiten Emissionen haben sich verdoppelt. Diese 25 Jahre der Globalisierung haben dem Planeten möglicherweise den Todesstoß versetzt.
Statt den Umbau Richtung Nachhaltigkeit in Angriff zu nehmen, wurde in einer Art totalen Mobilmachung, an allen Fronten expandiert. Mehr Autos, mehr Transporte, mehr Müll und vor allem mehr CO2. Mit Vollgas wurde nochmal richtig durchgestartet, allerdings in die falsche Richtung, „Wachsen oder Weichen“ war das Motto! Regionale, nachhaltige Lebens-und Wirtschaftsweisen blieben da massenhaft auf der Strecke.
Und auch nach dem Pariser Klimagipfel geht einfach alles weiter wie bisher. Man will es scheinbar auf die Katastrophe ankommen lassen, um dann sagen zu können: Jetzt ist es eh schon zu spät!
Die Sachwalter der Kapitalakkumulation sind dabei, aus dem Paradies Erde eine Hölle zu machen, doch sie haben offenbar noch nicht einmal begriffen, das alles auf dem Spiel steht.
Die nach uns Kommenden werden uns verfluchen! Und sie tun es bereits, -laut vernehmbar.
Doch sie haben kein Vetorecht in unserer vermeintlichen Demokratie, - es sei denn, sie nehmen es sich.
Hätten die Armen und Schwachen dieser Welt und all die kommenden Generationen Macht und Stimme bei der Entscheidung über die Zukunft des Planeten , dann wären die Verantwortlichen für den zerstörerischen Kurs der letzten Jahrzehnte längst abgelöst und müssten sich vor einem Klimatribunal wegen Genozid und Ökozid verantworten. Und es gäbe eine sofortige Vollbremsung bei den Emissionen.
Wir haben nicht das Recht, durch unsere verschwenderische Wirtschafts- und Lebensweise zig Milliarden noch Ungeborener zu Elend und Tod zu verurteilen!
Und wir haben nicht das Recht, das Wunder des Lebens auf dem Altar des Mammons zu opfern.
Unser „weiter so „ ist ein Verbrechen, - es nimmt den künftigen Tod von Millionen oder gar Milliarden Menschen wissentlich und billigend in Kauf,- genauso wie den unumkehrbaren Ökozid an der Erde.
Es gilt, die Verantwortlichen in Öl- und Energieunternehmen, Auto- Luftfahrt - und Rüstungskonzernen, in Banken und Regierungen beim Namen zu nennen und anzuklagen.
Der fossilistische Machtblock in Wirtschaft und Politik muss juristisch weiter unter Druck gesetzt werden.
Die Verantwortlichen verletzen nicht nur gröblichst die Vorsorgepflicht, sondern auch nationales und internationales Recht (F.Ekardt, Klimaklagen, 2018). Es gilt, nicht nur „Schaden vom deutschen Volke abzuwenden“, sondern auch „eine gefährliche Störung des Klimasystems“ zu vermeiden (Klimarahmenkonvention) und der Pariser Klima- Vertrag ist eine völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung.
Ein regelmäßig öffentlich tagendes Klimatribunal, ähnlich dem Vietnam-Kongress könnte die Öffentlichkeit informieren und aufrütteln.
Es braucht eine politische Heißzeit, um die drohende apokalyptische Klima- Heißzeit doch noch zu verhindern.
Der Widerspruch zwischen den Profitinteressen einiger und den Überlebensinteressen der vielen wird immer offensichtlicher. Es geht darum, die „Große Koalition“ des fossilen-mobil-monetären Machtkomplexes in Wirtschaft und Politik unter Druck zu setzen (siehe: Thilo Bode, Lobbyismus 2.0: Der industriell-politische Komplex, Blätter 10`18) und schnellstmöglich zu beenden.
Eine grundlegende Demokratisierung und Reformierung der Gesellschaft ist Voraussetzung, um die nötige ökologische Wende noch rechtzeitig auf den Weg zu bringen. Die neue Klimabewegung darf sich nicht mit wohlmeinenden Appellen und Forderungen begnügen und Unterschriften sammeln und Petitionen einreichen, sondern es muss realer Druck organisiert werden: auf der Straße, durch Aufklärung der Öffentlichkeit, durch zivilen Ungehorsam, Blockaden, politische Streiks, Boykottaufrufe (z.B. gegen VW und RWE).
Der Transformationsdruck gegen die „Große“ Blockade der Verteidiger des Status quo wächst bereits beständig, doch er muss weiter erhöht werden. 50 Jahre nach 68 und fast 30 Jahre nach der ostdeutschen Demokratiebewegung von 89 braucht es eine Bewegung ähnlichen Ausmaßes, um diesen in Jahrzehnten gewachsenen Machtfilz zurückzudrängen.
Der Globale Klimastreik am 20.09.2019 mit 1,4 Millionen Demonstranten allein in Deutschland, markierte möglicherweise den Beginn eines globalen Erwachens, das die Welt grundlegend verändern könnte.
Herbert Grönemeyers Song „Kinder an die Macht“ hat in den letzten Monaten eine völlig neue Dimension und Aktualität bekommen, denn ein weltweiter Macht –und Generationenwechsel ist offenbar überfällig, um das Klima-und Erdsystem noch stabilisieren zu können,- „Gebt den Kindern das Kommando…!“.
So etwas gab/gibt es übrigens als Ritual bei afrikanischen Stämmen, wo nach 30 Jahren in einer Zeremonie die Macht an die nächste Generation übergeben wird. Doch hierzulande räumen die alten Mächte ihre in Jahrzehnten ausgebauten Machtpositionen nicht freiwillig, sondern sie müssen dazu gezwungen werden.
Auch in Deutschland geht es längst nicht mehr nur um die Rücknahme und Nachbesserung des „Klimapakets“, sondern um die Ausrufung des Klimanotstands (wie in Österreich) und den Rücktritt dieser Bundesregierung und schnelle Neuwahlen. Es braucht jetzt einen breiten Schulterschluss der Kräfte der Vernunft, all derer, denen die Ermöglichung einer lebenswerten Zukunft wichtiger ist, als die Bewahrung der Vergangenheit.
Frieden und Gerechtigkeit
Die Erde ist unser einzig möglicher Handlungsrahmen und ihre Stabilität und ihr Funktionieren sind die Grundlage des Fortbestandes des Lebens und also auch des menschlichen Lebens. Insofern sind wir ihren Gesetzen unterworfen und können sie nicht beliebig verletzen, bei Strafe des Nicht Seins. Insofern ist wahre Freiheit, Einsicht in diese Notwendigkeit.
Doch die politisch Verantwortlichen befinden sich offenbar in einem interessegeleiteten Verblendungszustand, der sie gegen eine realistische Wahrnehmung der drohenden Gefahren regelrecht immunisiert und sich ein „Weiter so“, als das kleinere Übel vorstellt. Sie sind nicht willens und in der Lage, der Herausforderung Klimakatastrophe zu begegnen und verfolgen weiterhin prioritär kurz- und mittelfristige Macht- und Wachstumsziele, was allenfalls symbolische Klimapolitik zulässt. Die Mächtigen sind offensichtlich nicht fähig, „die Harmonie zwischen Himmel und Erde zu bewahren“, wie es im Alten China hieß. Es regiert das vermeintlich kleinere Übel, dessen gemeinsamer Nenner ist, dass es möglichst lange so weitergeht wie bisher; womit man die Zukunft zu sichern meint, -sie aber gerade dadurch verspielt. Denn wenn wir uns nicht schnellstens den Spielregeln des Planeten anpassen, werden wir den Planeten bald so verändert haben, dass wir uns nicht mehr anpassen können.
Wir werden erdsystemkompatibel sein oder wir werden nicht sein. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Die einzig mögliche Realpolitik angesichts der drohenden Klimakatastrophe ist eine sofortige, entschlossene Rettungspolitik für die Erde und damit für die Menschheit, zumal wenn eine Stabilisierung des Klima- und Erdsystems nur noch kurze Zeit möglich ist.
Es braucht einen baldigen deutschen, europäischen und globalen Aufbruch, sehr viele große und kleine Schritte überall auf der Welt, denn unsere derzeitige „Komfortzone“ (Greta Thunberg) ist in Wirklichkeit eine Todeszone, die wir in der Tat schnellstmöglich verlassen müssen, wenn das Leben eine Zukunft haben soll.
Es muss das Primat einer vernunftgeleiteten Politik durchgesetzt werden, die die Gemeinwohlinteressen und langfristigen Überlebensinteressen gegen kurzfristige Sonderinteressen durchsetzt.
Leben für die Zukunft - Zukunft für das Leben oder Zukunft für Alle- Alle für die Zukunft, das wäre das Leitmotiv einer sozialökologischen Wende.
Eine tatsächlich wirksame Rettungspolitik kann nur eine Politik des Ausgleichs und der Gerechtigkeit sein und muss gleiche Lebenschancen für alles Leben, für andere Kulturen und für all die kommenden Generationen respektieren. Denn „Nur Gerechtigkeit führt zum Frieden mit der Natur und zum Frieden unter den Menschen.“ (Indianisch).
Bei den Indianern des Nordwestens gab es den Brauch des Potlatsch, das ist das Verschenken und Vernichten angesammelter Güter und Reichtümer, um die Gleichheit und Verbundenheit in der Gemeinschaft zu wahren und zu festigen. Genau darum geht es heute im globalen Maßstab. Der Westen muss endlich seine historische Klimaschuld abzahlen und abarbeiten. Ein Erlass aller Schulden des Südens wäre dazu ein erster Schritt. Doch es geht um mehr, nämlich um nicht weniger als um die freiwillige, bewusste Umverteilung, das Verschenken und die gezielte Vernichtung (auf friedlichem Wege) von all dem Kapital und Vermögen, dass sich in Jahrhunderten der Ausbeutung von Mensch und Natur in den „Metropolen“ angesammelt hat.
Gigantische Summen, gigantische Beträge, die sich immer weiter vermehren wollen und müssen und für ihre ökonomische In-Wert-Setzung, die Natur, die Kulturen und die Welt entwerten.
Solange wir diesen Anspruch auf Wert und seine Realisierung als Geschäftsgrundlage der Gesellschaft akzeptieren, solange wir die erweiterte Reproduktion des Falschen als gesellschaftliche Grundprämisse hinnehmen, ist es müßig von Beschränkung und einer Rückkehr in den Rahmen der Natur zu sprechen.
Die Gegenwart zerstört und verspielt dann weiter, was ihr gar nicht gehört, die Natur und die Zukunft.
Wenn wir wirklich ernsthaft etwas über Klimaschutz sagen wollen, können wir vom Kapitalismus, seinen immanenten Wachstumszwängen, von Ausbeutung, Schuld, Macht und Ungerechtigkeit nicht schweigen.


Jürgen Tallig 2017/ 2018/2019 tall.j@web.de
https://earthattack-talligsklimablog.jimdofree.com/


Literatur:
U.Brand/M.Wissen, Imperiale Lebensweise, 2017
F.Ekardt, Paris- Abkommen, Menschenrechte und Klimaklagen, 2018
Götz Brandt, Leben in der Vielfachkatastrophe, 2013
David Wallace-Wells, „Der Planet schlägt zurück“ (dt. im „Freitag“,20.07.2017)
Fred Luks, Die Zukunft des Wachstums, 2001
WBGU, Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation, Hauptgutachten 2011
WBGU, Zivilisatorischer Fortschritt innerhalb planetarischer Leitplanken, 2014
WBGU, Klimaschutz als Weltbürgerbewegung, Sondergutachten 2014
WBGU, Entwicklung und Gerechtigkeit durch Transformation, Sondergutachten 2016
Naomi Klein, „Kapitalismus vs. Klima“, 2015
Jürgen Tallig, „Letzte Ausfahrt Paris“, Umwelt aktuell 12. 2015/01.2016
„Rasante Zerstörung des Blauen Planeten“ Umwelt aktuell 12.2016/01.2017
„Erderwärmung außer Kontrolle?“ 2019, Online- Zeitschrift „scharf-links“