Der Klimanotstand kommt so oder so,
zur Begrenzung oder als Folge der Klimakatastrophe
Wir befinden uns längst mitten in der Klimakatastrophe, doch die unbequeme Wahrheit ist tabu, denn sie könnte den Geschäftsklimaindex und das Börsenbarometer negativ beeinflussen, das, worum es im Kapitalismus eigentlich geht. „Wahr ist nur, was uns nutzt!“ lautet das perfide Motto.
Wir sind offensichtlich verblendet, einem Wahn verfallen, der uns nicht stillstehen lässt in unserem zerstörerischen Tun, wie Goethes Zauberlehrlinge… „Das alles so weitergeht, ist die Katastrophe.“ wusste schon Walter Benjamin.

Doch keiner weiß das Zauberwort, dass dem Spuk ein Ende machen könnte.
Als hätten wir nicht schon genug geschafft, soviel, dass davon die Welt aus den Fugen geht. Zeit aufzuwachen und inne zu halten, um zu bemerken was die Stunde geschlagen hat. Fünf vor zwölf ist es jetzt immerhin schon seit 30 Jahren.
Die unbequeme Wahrheit
Sie wird nicht gemocht,- wer will schon wissen, dass es jetzt vielleicht schon viertel nach Vier ist und außerdem hat man zu tun.
Nichtsdestotrotz sollen hier mal wieder einige neuere unbequeme Wahrheiten gesagt werden, damit keiner sagen kann, er habe es nicht gewusst:
2023 war das wärmste Jahr bisher und vollgepackt mit Katastrophen, wie sich einige vielleicht dunkel erinnern werden (Kanada, Griechenland, Libyen).
Die vielbeschworene 1,5 Grad- Grenze des Pariser Klimaabkommens ist schon gefallen, wie die Titelseite der Süddeutschen Zeitung vom 09.02.2024 verkündete. Ende Januar 2024 waren es erstmals 12 Monate jenseits des Klimaziels.

Über Land hat die Erderwärmung allerdings vielerorts schon 2,3 Grad erreicht, so in Deutschland und Europa (siehe besagte Süddt. Zeitung).
Das Jahr 2024 ließ schon in den ersten beiden Monaten erkennen, dass es 2023 wohl noch in den Schatten stellen wird.

Der Winter war in Deutschland insgesamt etwa vier Grad zu warm und der Februar 2024 lag mit beispiellosen 6,6 Grad Celsius (°C) um 6,2 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990 (0,4 °C), Temperaturen, die eher für Mitte April typisch wären.

Auch global lag die Temperaturkurve der ersten beiden Monate um erschreckende 0,4 Grad über der des Vorjahres…

Was es bedeutet, wenn das so weitergeht, möge sich jeder selbst ausrechnen.
Es dürfte sich dabei nicht nur um einen El Nino- Ausrutscher handeln.
„Der Spiegel“ beschreibt den neuen Zustand schon einmal als „Normalität der Extreme“. Aber Normalität dürfte bei diesen Entwicklungen schon bald nicht mehr möglich sein.
„Die Politik hat den Ernst der Lage nicht begriffen“
So hieß unsere Gemeinsame Erklärung von Anfang 2023 zur Räumung von Lützerath. Ein Jahr später muss man diese Diagnose erneut stellen, auch für die internationale Klimapolitik.
Die Klimakonferenz COP 28 in Dubai wurde erneut sabotiert und erwies sich letztlich erwartungsgemäß als unwillig und unfähig, den Klimaamoklauf der Menschheit zu beenden und verkündete lediglich die Binsenweisheit, dass man von fossilen Brennstoffen „weg müsse“, um die Treibhausgasemissionen zu senken. „Klimaminister“ Habeck hielt es nicht einmal für nötig teilzunehmen und hatte „Wichtigeres“ zu tun. Ein klarer Sieg der „Weiter so“- Fraktion, der nicht nur das größte Politikversagen der Geschichte darstellt, sondern sich als Weg in den kollektiven Selbstmord erweisen dürfte.
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ meinte schon Albert Einstein.
Die Politik ignoriert offenbar bewusst aktuelle Studien und Forschungsergebnisse zum verfügbaren Restbudget für Emissionen, das inzwischen nach maximal 7 Jahren erschöpft ist und gründet ihre Klimapolitik und deren Zeithorizonte auf längst überholte spekulative Annahmen, z.B. über eine künftige CO2- Rückholung in großem Stil. Sie vertagt das Emissions- und Erwärmungsproblem unverantwortlicher Weise immer weiter in die Zukunft und macht es damit faktisch unlösbar und nimmt kommenden Generationen jede Handlungsfreiheit, wie ja auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.
2023 wurden in Deutschland 2,84 Millionen neue Autos zugelassen und es geht immer noch um Wachstumschancen und nicht um Klimaschutz.
Der bekannte Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf vom PIK hat sich in der Süddeutschen Zeitung wie folgt geäußert: „Wird der Kampf gegen die Erderwärmung nicht erheblich verschärft, werden die Pariser Klimaziele verfehlt. Schon in einer Generation wird dieses Versagen wahrscheinlich als Verbrechen gegen die Menschheit gewertet werden.“
Nun, viele sehen das schon heute so.
Klimanotstand oder Die Ermächtigung der Vernunft
Die Zuspitzung der Klimakrise erfordert ein sofortiges verbindliches Umsteuern.
Es geht ganz konkret um die Ausrufung der Rechtsform "Klimanotstand", um rechtliche und finanzielle Veränderungen und Verbindlichkeiten in einer solchen Notlage. Hier kann man Parallelen vom Corona-Notstand herleiten.
Die EU, viele EU-Länder und viele Städte und Kommunen haben bereits vor Jahren den „Goodwill-Klimanotstand" ausgerufen, die UN forderte 2020 alle Länder dazu auf, es zu tun und die Einhaltung des Klimavertrages von Paris erfordert natürlich dringend einen echten Notstand. Auch gibt es Forderungen diesbezüglich aus der Wissenschaft (Climate Emergency), jüngst erst der weitverbreitete Aufruf an die WHO wegen einer globalen gesundheitlichen Notlage auf Grund des Klimawandels.
Das Machtkartell der Profiteure und Lobbyisten der fossil-mobilen Zerstörungsorgie darf nicht länger seine verantwortungslose und kriminelle „Weiter so“-Politik betreiben.
Es braucht einen Klimagerichtshof, der die Emissionsreduzierungen durchsetzt.
Es gilt weltweit die Brandstifter in Politik und Wirtschaft zu entmachten und der Vernunft an die Macht zu verhelfen, um so den Absturz in Chaos und Barbarei noch zu verhindern und das Überleben der Menschheit zu sichern.

 

Jürgen Tallig
Der Autor war Mitbegründer des Neuen Forums in Leipzig.
Zum Weiterlesen:
https://www.grueneliga-berlin.de/publikationen/der-rabe-ralf/aktuelle-ausgabe/juergen-tallig/