Die Erde des Jahres 2035

 

befindet sich schon in einem anderen Systemzustand und hat die Schwelle zur Heisszeit überschritten.

 

Die Globalsteuerung des Systems Erde durch einen Terrestrischen Rat hätte dies noch verhindern können.

 

Um obige Aussage zu treffen, muss man kein Hellseher sein, sondern lediglich die derzeitigen Trends in die Zukunft verlängern. Man kann diese Aussage sogar mit recht großer Sicherheit treffen, da der notwendige, radikale Kurswechsel,  der die Katastrophe noch abwenden könnte, angesichts der globalen Machtverhältnisse immer unwahrscheinlicher wird. Null Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 sind für die meisten Politiker und Unternehmer nicht nur nicht erstrebenswert, sondern schlicht nicht vorstellbar, ganz zu schweigen von dem eigentlich Nötigen, wenn man das 1.5 Grad- Ziel denn wirklich erreichen wollte. Doch eine symbolische Klimapolitik des Aufschubs und der Vertagung, des so tun „als ob“, wie in den vergangenen 25 Jahren, in denen sich die Emissionen verdoppelt haben, ist auch mit dem Etikett freiwilliger Selbstverpflichtungen, nicht mehr verantwortbar.

Das System Erde ist möglicherweise heute schon gekippt, aber im  Jahr 2035 wäre es das mit Sicherheit. Das System Erde ist dabei, die Schwelle zur Heisszeit zu überschreiten und in einen neuen, lebensfeindlichen Systemzustand überzugehen. Es droht eine unbegrenzte Erderwärmung.

Die bisherigen Veränderungen würden sich verselbständigen und weiter verstärken und wären nicht mehr zu stoppen. Dann wäre es unmöglich, das Geschehen noch entscheidend zu beeinflussen.

Um dies zu verhindern, müsste die Menschheit sofort entschlossen gegensteuern.

Gehandelt werden muss jetzt! Die Kohlendioxid- Emissionen müssen binnen 10 Jahren weit mehr als halbiert werden und schnellstmöglich gegen Null gehen und zusätzlich müsste der Atmosphäre Kohlendioxid in ungeheuren Mengen entzogen werden,- wir müssten die Photosynthese betreibende Pflanzenmasse quasi verdoppeln oder verdreifachen.

„Doch die Verhältnisse, die sind nicht so…“, zumal die Verteidiger des Status quo nachwievor einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf Politik, Medien und die Öffentlichkeit haben. Die Verfolgung nur kurz- und mittelfristiger Interessen erweist sich angesichts der planetaren Überlebenskrise zwar als völlig irrational, gebärdet sich aber nachwievor als rationales Ergebnis gesellschaftlichen Interessenausgleichs. Es erweist sich eine tragische Diskrepanz zwischen  gesellschaftlicher Rationalität und einer notwendigen planetaren Rationalität der Erdsystemstabilisierung und Überlebenssicherung. Ob diese Diskrepanz von der Menschheit überwunden werden kann, ist inzwischen eine Frage von Leben und Tod. Wie kann das Überlebensnotwendige rechtzeitig gegen die Kräfte der Beharrung durchgesetzt werden?

 Eine machtvolle Institutionalisierung der planetaren Rationalität, ein Weltklimarat oder ein Terrestrischer Rat wäre notwendig,  der den Macht- und Gewinnbestrebungen der gesellschaftlichen Subsysteme einen Rahmen vorgibt und so dem Rohstoff- und Energieverbrauch und den Emissionen Grenzen setzt. Dieser Rat müsste allerdings sofort wirksam werden und auch mit der notwendigen Macht ausgestattet sein, um das Ruder noch rechtzeitig herumreißen zu können und die notwendige grundlegende Richtungsänderung einzuleiten und so ein Abkippen des Erdsystems in eine verstetigte, nicht mehr begrenzbare Aufheizung noch zu verhindern.

Neben den ungebremsten menschlichen Treibhausgasemissionen aus den verschiedensten Quellen, werden vor allem die dramatischen Veränderungen des Systems Erde selbst, eine Begrenzung der Erderwärmung in Zukunft unmöglich machen.

 

Ein Bericht aus der Zukunft des Jahres 2035

 

„Es ging dann alles sehr schnell.

 Im Jahr 2028 war die Arktis das erste Mal im Sommer völlig eisfrei. Die Temperaturen in den nördlichen Polarregionen erhöhten sich, nach den schon dramatischen Anstiegen der letzten Jahre noch einmal schlagartig und es kam zu einer beispiellosen Waldbrandsaison in den Nordischen Wäldern. Das Auftauen des  Permafrost trat in ein neues Stadium und die Freisetzung von Methan und Kohlendioxid nahm dramatisch zu. Die jährliche Zunahme der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre verdoppelte sich. Ein Jahr später kollabierte der Amazonasregenwald in einer Superdürre und ging zu großen Teilen in Flammen auf, nachdem er schon all die Jahre davor schwer von Dürren betroffen war.

Damit waren der Kohlenstoffkreislauf und also auch das System Erde unumkehrbar aus dem Gleichgewicht gebracht und die globale Durchschnittstemperatur erhöhte sich erheblich.

An eine Kompensation des weitgehenden Verlustes der natürlichen CO2- Senken, durch menschliche Ausgleichsmaßnahmen, wie großflächige Neupflanzungen, war angesichts der dramatischen weltweiten Zunahme von Katastrophen immer größeren Ausmaßes, nicht zu denken. Die Atmosphärische Zirkulation veränderte sich vollständig und chaotisch, und warme Luft konnte nach dem völligen Zusammenbruch des Polarwirbels ungehindert nach Norden fließen, doch auch im Süden wurde das „ewige“ Eis durch das zunehmende Vordringen warmer Luft und warmen Wassers massiv destabilisiert.

Das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes und der Antarktis beschleunigte sich dramatisch. Das Meer stieg nun um über 3cm jährlich, mit zunehmender Tendenz  und würde schon zur Jahrhundertmitte fast einen Meter höher sein als bisher. Zudem kam es in Asien und Afrika zu schwersten Dürren und Überschwemmungen. Dutzende Millionen Menschen machten sich auf den Weg nach Norden.

Doch auch Europa und Nordamerika wurden 2033 von einer beispiellosen Dürre heimgesucht, es gab Missernten und Lebensmittelrationierung,  Waldbrände wüteten aller Orten und die Flüsse begannen auszutrocknen, so dass Kraftwerke abgeschaltet werden mussten. Ein Jahr zuvor, hatten noch wahre Jahrtausendfluten weite Landstriche unter Wasser gesetzt und schwerste Verwüstungen angerichtet. Die heftigen Herbst- und Winterstürme hatten überdies gewaltige Zerstörungen in den Wäldern angerichtet.

Jetzt ging es um Überlebenssicherung, Reparaturen, Wiederaufbau, -darum, das tote Holz aus den Wäldern zu schaffen, die Energieversorgung sicherzustellen und umzubauen…

Wie sollte man da zig Milliarden Bäume pflanzen, um den Amazonas- Regenwald zu ersetzen. Wenn wir es in all den vergangenen Jahrzehnten nicht geschafft hatten, das Richtige und Notwendige zu tun, wie sollten wir es jetzt können? Jetzt musste sich jeder selbst helfen. Wir hatten uns die Erde endgültig zum Feind gemacht, - ihr zu helfen, das überstieg  unsere Kräfte.“

 

So oder so ähnlich wird es  früher oder  später ablaufen, wenn jetzt nicht die Notbremse gezogen wird. All diese Veränderungen sind ja längst im Gange und führen zu einer alljährlich wachsenden Zerstörung und Destabilisierung des Systems Erde.  Die Kipppunkte im Erdsystem sind laut Prof. Schellnhuber vom PIK, dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, viel näher, als bisher gedacht.

Irgendwann ist der globale Point of no returne erreicht und das gesamte System Erde geht in einen anderen Zustand über. Zumal wir nachwievor weit über unsere natürlichen Verhältnisse leben.

Die deutschen Wälder können bspw. ca. 80 Millionen Tonnen CO2 binden. Deutschland verursacht allerdings weit über 800 Millionen Tonnen und bei Berücksichtigung der Zulieferungen aus aller Welt und der globalen Aktivitäten seiner Konzerne sind es leicht 2 oder 3 Milliarden Tonnen CO2. 

Entscheidend ist der drohende

 

Kollaps des Kohlenstoffkreislaufs,

durch den weitgehenden Ausfall der Wälder und der Ozeane als CO2- Senken.

Man kann eigentlich jetzt schon nicht mehr von einem Kreislauf sprechen, da das Ungleichgewicht zwischen CO2- Freisetzung und CO2- Aufnahme, also zwischen Quellen und Senken derartig groß ist, dass nur noch ein Teil des Kohlendioxids einen Kreislauf durchläuft. Von den menschlichen Emissionen aus Verbrennung, in Höhe von reichlich 40 Gt jährlich,  verbleiben 20 Gt bereits direkt in der Atmosphäre, je ein Viertel wird noch von der Landbiosphäre und den Ozeanen aufgenommen, wobei sich die Aufnahmefähigkeit der CO2- Senken zunehmend reduziert.

Ein immer größerer Anteil CO2 verbleibt also in der Atmosphäre und verstärkt so den Treibhauseffekt und die Aufheizung  der  Erde, was die Biosphäre immer weiter unter Druck setzt und dezimiert.

Prof. Rockström vom  Stockholm Resilience Centre hat In seiner Stellungnahme „The 10 Science must knows on Climate Change“   den Zusammenbruch der natürlichen CO2- Senken ab ca. 2030 prognostiziert.  Dort findet sich ein bemerkenswertes Diagramm, das eine massive Abnahme der Kapazitäten der biosphärischen Kohlenstoffsenken (Land und Ozean) ab ca. 2030 annimmt. Sie reduzieren  sich auf etwa ein Drittel bis 2060, um danach weiter abzunehmen.

 

Prof. Rockström  schließt diese gigantische Lücke im Kohlenstoffkreislauf durch anthropogene CO2- Senken, die ab ca. 2040 den Verlust der natürlichen Senken ausgleichen und 2100 deren Kapazität von 2010 erreicht haben sollen. Dieses Szenario ist erschreckend und viel zu optimistisch gleichermaßen. Erschreckend ist natürlich, dass der Zusammenbruch der Biosphäre so nahe bevorsteht. Viel zu optimistisch ist es, weil  wesentliche Faktoren ausgeklammert sind.

Wenn die Landbiospäre weitgehend kollabiert, was ist dann mit den 500 Gigatonnen (Gt = Milliarden Tonnen) Kohlenstoff, die in der Biomasse gebunden sind? Die werden früher oder später durch Waldbrände und mikrobielle Zersetzung als Methan und CO2 in die Atmosphäre gelangen und entsprechen in etwa 1830 Gt CO2, was in etwa so viel ist, wie die Menschheit bisher insgesamt freigesetzt hat.   

Das fortschreitende Auftauen des Permafrosts (ein Fünftel der Landmasse) hat zur Folge, dass in den nächsten Jahrzehnten  riesige Mengen Methan entweichen und so viel Kohlendioxid freigesetzt wird, wie sich derzeit überhaupt in der Atmosphäre befindet!

Diese Emissionen aus der Natur müssen natürlich berücksichtigt werden, denn sie würden letztlich den CO2- Gehalt der Atmosphäre verdoppeln und alle Reduzierungsbemühungen der Menschheit zunichte machen, so es sie denn irgendwann geben sollte. Diese Emissionen werden mit steigenden Temperaturen ständig weiter zunehmen, von vielleicht 10 Gt auf bald schon jeweils 30 Gt/ Jahr.

Sehr optimistisch ist auch die Annahme, dass 2060 die menschlichen CO2- Emissionen tatsächlich nur noch 3 Gt betragen werden. Hier muss man nach den derzeitigen Trends, eher von 60 oder gar 80 Gt ausgehen. Rechnen wir realistisch mit den heutigen Emissionen von ca. 40 Gt.

Wie groß wäre dann 2060  die Lücke im Kohlenstoffhaushalt, die vom Menschen durch Entfernung von CO2 geschlossen werden müsste, durch Pflanzungen und Geoengeneering z.B.?

40 Gt menschlicher Emissionen, stehen stark geschrumpfte Senken mit einer Kapazität von etwa 6 Gt gegenüber. Jetzt kommen noch jeweils 10 Gt CO2 hinzu, die durch die verrottende oder brennende Biosphäre und durch den auftauenden Permafrost freigesetzt werden.

Das ergibt insgesamt einen ungebundenen CO2- Überschuss von 54 Gt, der direkt in die Atmosphäre ginge (derzeit sind es ca. 20 Gt plus Abholzung und Brände). 

Die künstlichen Senken müssten also fast die dreifache Kapazität der intakten Biosphäre erreichen,  nur um den CO2-Überschuss von 54 Gt auszugleichen. Wenn man die Erderwärmung auf 1.5 oder 2 Grad  begrenzen will, muss man den  CO2- Gehalt der Atmosphäre wieder senken, auf etwa 350 ppm. Heute beträgt er schon 410 ppm (parts per million) und bis 2060 dürfte er bereits auf 550 bis 700 ppm angestiegen sein. Für eine Reduktion bräuchte man weitere künstliche Senken  und um die Erderwärmung durch weitere erdsystemische Veränderungen auszugleichen noch welche. Eine wohl unlösbare Aufgabe. Es gibt kein Zurück, wenn das System Erde erst einmal gekippt ist.

 

Die natürliche Verstärkung der Erderwärmung

erfolgt zum Beispiel durch die dramatische  Veränderung riesiger Flächen, -die Arktis, Grönland, Sibirien, Kanada, Alaska, die Antarktis, um nur einige der betroffenen Regionen zu nennen. Das sind dutzende Millionen Quadratkilometer, wo das Eis schmilzt und sich die Vegetation verändert und damit auch die Wärmerückstrahlung (Albedo).

Diese Veränderungen bewirken positive Rückkopplungen, also Verstärkungen und führen zu einer deutlich abnehmenden Albedo der Erde, was ihre Aufheizung zusätzlich beschleunigt.

Das muss wohl als weiteres entscheidendes Kippelement im Klimasystem betrachtet werden.

Das Wärmerückstrahlungsvermögen nimmt ab, da die hellen Flächen, wie Eis und Schnee, abnehmen und die dunklen Flächen entsprechend zunehmen. Statt einer Reflexion von ca. 80 % (Eis/ Schnee) gibt es jetzt 80% Wärmeaufnahme (z.B. offenes Meerwasser).

Genannt sei hier nur die dramatische Abnahme der globalen Meereisbedeckung, sie lag im November 2016 vier Millionen km² unter dem langjährigen Mittel. Das heißt, eine Fläche von der Größe der EU ist nun nicht mehr mit Eis bedeckt, wodurch der  Erde zusätzlich eingeheizt wird.

Auf Grönland ist der Eisschild überdies zunehmend von einer grauschwarzen Schicht aus Schmutz- und Rußpartikeln bedeckt, was gleichfalls die Wärmerückstrahlung massiv reduziert und damit gleichzeitig das Abschmelzen des Eises beschleunigt.

Auch die weltweit rasant schrumpfenden Gletscher verstärken diesen Effekt, was man mancherorts durch das Auflegen weißer Plastikplanen zu verlangsamen versucht.

Wir Menschen würden sehr schnell wieder Demut gegenüber der Natur entwickeln und erfahren wie klein wir sind, wenn wir nur einen Bruchteil der riesigen Gebiete, die wir im Norden verändert haben, mit weißen Plastikplanen abdecken wollten. Mit unserem Gerede von Geoengeneering, Klimabeeinflussung und Terraforming offenbaren wir eine fatale Fehleinschätzung der Realität.

Unser eigener Größenwahn (Anthropozän) verkleinert die Erde zu einer handhabbaren Immobilie, die wir unseren Verwertungsbedürfnissen anpassen zu können meinen. Welch Illusion!

 

Neues Denken und Handeln jetzt

Es ist ein Ausdruck von Verblendung und  Selbstüberschätzung (Hybris) zu meinen, wir könnten nachträglich einen planetaren Systemübergang rückgängig machen.

Wir spielen gewissermaßen Russisch- Roulette mit der Erde und haben noch nicht verstanden, dass der Revolver voll geladen ist. Es ist an uns, das Spiel zu beenden und noch rechtzeitig abzurüsten. In einem Spiel, in dem es nur Verlierer geben kann, sollte man die Spielregeln rechtzeitig ändern. Die Idee eines Neuen Denkens und Handelns, die in der Zeit der Hochrüstung und der drohenden Konfrontation zwischen den Machtblöcken, einen entscheidenden Durchbruch zur Abrüstung und Entspannung brachte, ist heute aktueller denn je.

War Neues Denken und Handeln damals eine Chance, die im Siegestaumel unterging, so ist es heute eine Überlebensnotwendigkeit. Schon damals wurde die Notwendigkeit formuliert und begründet, die Erde nicht der Anarchie und Willkür politischer und ökonomischer Einzelinteressen zu überlassen, sondern die gemeinsamen Interessen der Menschlichen Gemeinschaft angesichts der Globalen Bedrohungen in den Vordergrund zu stellen und dieser Gemeinsamkeit auch institutionelle Formen zu geben (KSZE, OSZE, UNO usw.). Hätte die Welt die Chance von 89/90 zu mehr genutzt, als zur Globalisierung des Alten, dann würden wir heute wahrscheinlich woanders stehen.

Wenn es damals möglich war, die festgefahrenen Positionen zu überwinden, dann muss es heute, angesichts der erneuten Gefahr einer Selbstvernichtung, -diesmal nicht durch einen Atomkrieg, sondern durch die Klimakatastrophe-, erneut möglich sein. Genauso, wie es in einem Atomkrieg keine Sieger gibt, wird es auch in der Klimakatastrophe keine Sieger geben, deshalb muss das gemeinsame Interesse an ihrer Verhinderung, alle Differenzen überwinden und zu einem gemeinsamen, entschlossenen Handeln führen.

Wenn das System Erde erst einmal  gekippt ist und die Welt zudem in Chaos und Barbarei versinkt, dann gibt es kein Zurück mehr. Wir müssen jetzt sofort alles tun, um den Kollaps der Biosphäre noch zu verhindern und um das System Erde wieder zu stabilisieren.

Die Erde ist unser Handlungsrahmen und ihre Stabilität und ihr Funktionieren sind die Grundlage des Lebens und also auch des menschlichen Lebens. Deshalb muss diese Stabilität und dieses Funktionieren sichergestellt werden und kann nicht zufälliges Ergebnis Betriebs- oder volkswirtschaftlichen Kalküls sein.

Das Funktionieren der Erde muss diesen subsystemischen Interessen übergeordnet sein und Vorrang haben. Der Schutz des Klimas und die Stabilisierung des Erdsystems, als elementare Voraussetzung auch menschlichen Lebens auf der Erde, muss zum alltäglichen und übergeordneten Ziel gesellschaftlichen Handelns werden. „Earth first“ könnte man sagen.

Eine vereinte und zum Überleben entschlossene Menschheit, hätte das ökonomische, menschliche und wissenschaftlich- technische Potential dazu. Es bedürfte allerdings  eines gemeinsamen politischen Willens und einer gigantischen, globalen Umlenkung von Kräften und Ressourcen. Die Zeit für Neues Denken und Handeln ist gekommen und sie wird nur allzu bald wieder vorbei sein.

Lasst uns heute die Bäume pflanzen, lasst uns jetzt die Regeln ändern.

 

Letzte Hoffnung: Der Terrestrische Rat

Die Frage ist, wie kann das Überlebensnotwendige gegen vermeintlich realpolitische  Wachstumszwänge durchgesetzt werden, die angesichts der Klimakatastrophe zwar völlig irreal sind, aber das Handeln der mächtigsten Länder der Erde bestimmen? Als sei die Überlebenssicherung nicht der allerrealste Zwang, zumal wenn sie nur noch kurze Zeit möglich ist.

Wie kann man das bisher nachgeordnete Ziel der Erdsystemstabilisierung und der Erhaltung der Lebensgrundlagen, zum übergeordneten Ziel politischen und ökonomischen Handelns machen, ohne wie bisher, bei bloßen Willensbekundungen und Absichtserklärungen stehenzubleiben, deren Implementierung in die Realität der Globalisierung und Hypermobilität, bisher nicht möglich war.

„Die Idee blamiert sich immer, soweit sie vom Interesse entfernt ist“, könnte man mit Karl Marx sagen.

Und das weltweit dominante Interesse, ist das an Wachstum, Geldvermehrung, Mehrwert –und Profiterwirtschaftung, was wiederum Rationalisierung und Steigerung der Produktivität erzwingt und damit einen Zwang zur Größe und Markterweiterung. Dies alles sind Tendenzen, die einer Verringerung des Energie- und Rohstoffverbrauchs und einer Verringerung der Emissionen diametral entgegenstehen. Wie kann man diese Tendenzen umkehren und einen Zwang in die genau entgegengesetzte Richtung aufbauen, also Richtung Schrumpfung, Regionalisierung, Verringerung des Energiedurchsatzes usw.?

Natürlich auch über das Interesse! Die Welt muss sich einen „Klimarahmen“ geben,  mit dem neue globale Spielregeln  wirksam werden, die  die Akteure, in ihrem eigenen finanziellen und ökonomischen Interesse, zu nachhaltigem, zukunftsfähigem Handeln veranlassen.

Eine Weltpreisreform und eine CO2- Steuer stehen längst auf der globalen Tagesordnung.

Das Pariser Klimaabkommen müsste die Grundlage für diesen „Klimarahmen“ sein und  vom allgemeinen  Bekenntnis zum Schutz des Klimas und der völkerrechtlichen Verpflichtung dazu, zum schlagkräftigen Instrument zur Durchsetzung realer und substantieller Emissionsminderungen werden.

Es bedürfte einer Institutionalisierung, eines „Terrestrischen Rates“,  der über beträchtliche reale Macht verfügt, die von den Unterzeichnern des Pariser Klimavertrages freiwillig an ihn abgetreten wird. Das sollte natürlich die nationalen Bemühungen zur Emissionsreduzierung nicht mindern.

Der Rat hätte die Aufgabe, das Klima- und Erdsystem mit allen nötigen und möglichen Maßnahmen zu stabilisieren und eine schnelle, drastische Reduzierung der THG- Emissionen herbeizuführen.

Er vertritt damit das gemeinsame übergeordnete Interesse aller Menschen, auch das der kommenden Generationen an der Erhaltung der Lebensgrundlagen und ist verpflichtet, dies auch gegen Sonderinteressen durchzusetzen.

Der Terrestrische Rat regelt den Stoffwechsel der menschlichen Zivilisation mit der Erde und sorgt dafür, dass Belastungsgrenzen (Planetarische Leitplanken) des Planeten nicht überschritten werden und die Funktion der erdsystemischen Regelkreise nicht destabilisiert wird, wie es gerade der Fall ist.

Er übt die Funktion einer Globalsteuerung des Systems Erde aus, die sich allein nach wissenschaftlichen Erkenntnissen um eine Stabilisierung des Systems bemüht.

Der Terrestrische Rat steuert den Energie- und Rohstoffverbrauch und die Emissionen der Menschheit über Preise und Steuern (CO2). Die Preisbildung erfolgt nicht mehr durch Angebot und Nachfrage, sondern es werden wissenschaftlich begründete Preise festgelegt, die den Verbrauch und die Emissionen schrittweise auf ein erdsystemverträgliches Niveau senken sollen.

Da sich die Rahmenbedingungen für alle gleichermaßen ändern, wird auch kein Land benachteiligt.

Die sehr armen Länder müssten natürlich Ausgleichszahlungen erhalten, auch dafür, dass sie bisher das Klimasystem nur minimal geschädigt haben.

Es werden klare Vorgaben über Tempo und Ausmaß der Preiserhöhungen gemacht.

Z.B. stiege der Ölpreis sofort von ca. 60 auf 100 $/ Barrell und dann jährlich um weitere 20 $, so dass sich der Preis in fünf Jahren auf 180 $ verdreifacht hätte(der Kohlepreis stiege noch steiler).

Es geht jetzt nicht mehr um Trippelschritte, sondern um Schritte mit Siebenmeilenstiefeln.

Das wäre ein ganz klares Signal und würde die Weltwirtschaft sofort in eine nachhaltigere und klimaverträglichere Richtung lenken, auf den Weg der Dekarbonisierung, der Regionalisierung, der Verbrauchssenkung und Einsparung. Klima- und umweltschädliche Geschäftsstrategien würden sich zunehmend nicht mehr rechnen, regional orientierte und energiesparende dafür umso mehr.

Regenerative Energien, Ökologische Landwirtschaft, Öffentlicher Nahverkehr, die Bahn würden begünstigt, da sie eben sehr viel weniger fossile Brennstoffe benötigen. Damit würde genau der Strukturwandel befördert, den wir jetzt brauchen. Der Kapitalstock der fossilen Industrien würde nach und nach entwertet, und über Divestment würden die Mittel für den globalen Strukturwandel frei.

Sollte sich ein Land diesem „Klimarahmen“ entziehen, z.B. die USA, dann würde es sich selbst isolieren. Ganz abgesehen von den Boykottmaßnahmen, würden seine Produkte bald nicht mehr weltmarktfähig sein, da sie den ständig steigenden ökologischen Standards nicht mehr genügen.

Die nationalen Regierungen setzen die Preis- und Steuervorgaben des Terrestrischen Rates um, und leiten einen Teil der daraus resultierenden Mehreinnahmen an ihn zurück.

Der Rat wiederum initiiert und finanziert aus diesen Einnahmen Maßnahmen von Geoengeneering, wie die notwendige globale Aufforstung in der Größenordnung von mehreren Millionen Quadratkilometern, aber auch Katastrophenschutz, Infrastrukturumbau, Ausgleichsmaßnahmen für ärmere Länder usw.usf.

Die Menschheit hat im Verlauf ihrer bisherigen Geschichte, ein Drittel des  Waldbestandes des Planeten vernichtet, etwa 20 Millionen Quadratkilometer. Das ist eine Fläche, weit größer als das riesige Russland. Wenn es die 7 Milliarden Menschen der Erde jetzt schaffen würden, nur ein Viertel davon neu zu pflanzen und das zu Fuß oder mit dem Fahrrad, dann wäre wieder Hoffnung. Noch ist alles möglich, noch ist die Tür einen Spalt breit offen… Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit.

 

Jürgen Tallig    2018                 tall.j@web.de

 

Literatur:

 

U.Brand/M.Wissen, Imperiale Lebensweise, 2017

 

Rockström J., „The 10 Science must knows on Climate Change“, 2017 

 

Maria A. Martin, Das riskante Spiel mit dem Gleichgewicht, Kippelemente im Klimasystem, 2014

 

S. Rahmstorf, Können wir die globale Erwärmung rechtzeitig stoppen?, KlimaLounge,11.04.2017

 

 J. Tallig, „Die tödliche Falle“ in Umwelt aktuell 11/2017