Die Tödliche Falle

Es droht eine verselbstständigte und beschleunigte Erderwärmung

Die tödliche Falle (Erschienen in Umwelt aktuell 11/2017)

 

https://backend.dnr.de/sites/default/files/Publikationen/umwelt_aktuell/ua2017-11.pdf

Bei unverändert hohen Treibhausgasemissionen droht unumkehrbar eine verselbstständigte und beschleunigte Erderwärmung.
Es braucht einen verbindlichen Rettungsplan für die Erde.
Die Erderwärmung nimmt weiter Fahrt auf. Die Arktis verströmt ihre Kälte nach Süden und die globale Meereisbedeckung hat in Nord und Süd dramatisch abgenommen und lag im November 2016 vier Millionen km² unter dem langjährigen Mittel. Das heißt, eine Fläche von der Größe der EU ist nun nicht mehr mit Eis bedeckt, wodurch aufgrund der veränderten Albedo (Wärmerückstrahlung), der Erde zusätzlich eingeheizt wird. Es ist sehr fraglich, ob die Erderwärmung auf 2 Grad begrenzt werden kann. Denn auch die Treibhausgasemissionen sind unverändert viel zu hoch.

Immer mehr namhafte Klimawissenschaftler äußern sich aufs höchste besorgt.
Johan Rockström vom Stockholm Resilience Centre sieht die Pufferkapazitäten der Erde erschöpft und fordert: “Wir müssen die Emissionskurve unverzüglich nach unten biegen, um die größten Auswirkungen auf unsere Welt noch zu verhindern.“
Doch es deutet alles darauf hin, dass in den nächsten 20 Jahren noch einmal 800 Gt CO2, allein aus Verbrennung freigesetzt werden. Ihre Emission ist ähnlich irrational, wie es die Einlagerung von 800 weiteren Brennstäben ins havarierte Kernkraftwerk Fukushima wäre. In beiden Fällen ist der „Kühlkreislauf“ defekt. Doch man meint, das System Erde könne auch diese gigantische Menge noch verkraften.
Prof. Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung sieht das 2 Grad- Ziel bedroht,- um es „sicher“ zu erreichen dürften es nur noch 150 Gt sein, das hieße Null Emissionen ab 2020. Alles darüber hinaus sei riskant, die Emissionen müssten „zurückgeholt“ werden.
Und bei diesen Berechnungen sind die Emissionen aus Wald- und Landverbrauch und die anderen Treibhausgase, wie Methan und FCKW nicht einmal einbezogen. Insgesamt könnten die weltweiten THG- Emissionen bald bei über 100 Gt CO2 – Äquivalent liegen,- 2010 waren es bereits 65 Gt (siehe O.Edenhofer, in Atlas der Globalisierung 2015).
Das wäre dann 20 mal so viel, wie bei der schnellsten natürlichen Erderwärmung.
Auch ist die Erde ja kein statisches System, sondern sie verändert sich rapide.
Die CO2- Senken sind jetzt bereits überlastet und schwer geschädigt und die Emissionen aus natürlichen Quellen(z.B. aus auftauendem Permafrost) nehmen beständig zu (siehe J.Tallig, Rasante Zerstörung des blauen Planeten, Umwelt aktuell 12.16/01.17).
Die tödliche Falle
Prof. Schellnhuber, Direktor des PIK und Autor des Buches „Selbstverbrennung“ bringt es auf den Punkt: “…wenn wir nichts tun, dann können wir die Erde bereits bis 2020 tödlich verwunden.“ Mit anderen Worten, wir könnten durch nur noch drei Jahre weiter so, das System Erde in einen Sterbeprozess befördern, der bekanntlich mit dem Tod endet,- also mit dem Ende des Lebens auf der Erde.
Es gibt längst vielfache, sich wechselseitig verstärkende, globale Rückkopplungsprozesse.
Unvermindert hohe menschliche Emissionen, immer mehr natürliche Emissionen, die schwindende Kapazität der CO2-Senken und das Erreichen weiterer Kipppunkte im Klimasystem sind eine tödliche Falle, aus der es bald kein Entkommen mehr gibt.
Die Erderwärmung wäre spätestens mit dem Kippen der großen Wälder ein Selbstläufer und nicht mehr zu stoppen.
Die Erde ist dabei, unaufhaltsam in einen absolut lebensfeindlichen Zustand überzugehen.
So werden laut einer Studie des Massachusetts Institut of Technology (MIT) 1.5 Milliarden Menschen in Indien, Pakistan und Bangladesch bis zum Ende des Jahrhunderts ihre Heimat verlieren, weil diese nicht mehr bewohnbar ist. Man stirbt beim Aufenthalt im Freien aufgrund der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit. David Wallace-Wells gibt in seinem
vieldiskutierten Artikel „Der Planet schlägt zurück“ (dt. im „Freitag“,20.07.2017) eine realistische Vorschau auf drohende Gefahren. Das Ende deutet er nur an.
Durch Hitze und Sauerstoffmangel würde die Erde letztlich in einen weitgehend leblosen Zustand übergehen und die Aufheizung würde sich verselbständigen und weiter verstärken
(großflächiges Auftauen von Permafrost und Methanhydraten) .
Das ist die letzte Konsequenz unseres jetzigen Handelns und keine Generation nach uns kann diesen Prozess jemals wieder stoppen oder rückgängig machen.
Prof. Rahmstorf: „Es geht dabei (den notwendigen Maßnahmen J.T.) nicht um Umweltschutz, auf dem Spiel steht der Fortbestand der menschlichen Zivilisation.“
Meilensteine für eine CO2-Wende bis 2020
Johan Rockström und seine Kollegen(Science 2017) fordern eine sofortige Begrenzung des weiteren Anstiegs des CO2- Gehalts der Atmosphäre auf drei Wegen:
- die Halbierung der fossilen Emissionen alle 10 Jahre
- den sofortigen Stopp der Abholzung von Wald
- aktive Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre
Folgende konkrete Maßnahmen zur Senkung der Emissionen werden vorgeschlagen:
-Beendigung der Subventionen für Energie aus fossilen Brennstoffen bis 2020
-Anteil der erneuerbaren Energie alle 5-7 Jahre verdoppeln
-Einführung eines Mindestpreises von 50 Dollar pro Tonne CO2 im Emissionshandel
- Ende der Zulassung von Verbrennungsmotoren spätestens ab 2030
(das empfiehlt auch der Bundesrat)
-Sofortiger Kohleausstieg, vor allem der reichen Staaten
-Moratorium für neue Kohlekraftwerke
Allerdings gibt es massive Widerstände in Wirtschaft und Politik, wie zuletzt der G20-Gipfel in Hamburg und die Diesel- Konferenz in Berlin zeigten. Es zeigt sich, dass die Klimakatastrophe nicht nur eine technische, sondern vor allem eine politische Herausforderung ist. Angesichts der drohenden Katastrophe und angesichts der Blockadehaltung der Großkonzerne muss über ihre Verstaatlichung zum Schutz der Allgemeinheit laut nachgedacht werden. Hier gilt es tatsächlich, Schaden vom Deutschen Volke abzuwenden. Mit ihren großkriminellen Machenschaften haben sie hinreichend deutlich gemacht, dass sie bereit sind, für Profit über Leichen zu gehen.
Man sollte nicht mehr mit ihnen verhandeln, sondern über sie.
Die Weltbürgerbewegung für den Klimaschutz sollte diese Forderungen unterstützen, sowie weitergehende Vorschläge in die Diskussion einbringen und gesellschaftliche Alternativen aufzeigen.
Ein Rettungsplan für die Erde
Notwendig ist eine sofortige globale Preisreform für Energie und Rohstoffe.
Die Zukunft muss endlich eingepreist werden. Durch einen aufgeschlagenen Generationenvorbehalt (Zukunftssteuer) gäbe es einen Preisanstieg, der die Verschwendung und Zerstörung der Ökosysteme stoppt und die Interessen der kommenden Generationen berücksichtigt. Lebendige Arbeit würde gegenüber der Energie- und ressourcenfressenden, vergegenständlichten, „toten Arbeit“ steuerlich und preislich klar bevorteilt.
Den Klimawandel eindämmen, heißt, die Globalisierung eindämmen!
Weitere Globalisierung ist der GAU für das Klima und das genaue Gegenteil des Notwendigen. Ein erster Schritt dazu könnte die Einführung einer weltweiten Klimasteuer auf Ferntransporte sein, um nachhaltige regionale Wirtschafts- und Lebensweisen zu schützen. Ferntransporte müssen viel teurer werden! Arbeit vor Ort muss sich wieder lohnen und vor aggressiver Markteroberung geschützt werden.
Roboter, Fließbänder und globalisierte Wertschöpfungsketten dürfen sich einfach nicht mehr rechnen!
Dadurch gäbe es wieder Arbeit für viele und die derzeitigen sozialen, ökonomischen und finanziellen Ungleichgewichte weltweit, aber auch in der EU würden abgemildert.
Die geänderten Terms of Trade führen zu einer gerechteren Weltwirtschaft und geben den Rohstoffländern Entwicklungschancen und Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel.
Auch eine weltweite CO2-Steuer könnte eine wichtige ökonomische und soziale Lenkungsfunktion erfüllen.
Die so gewonnenen finanziellen Mittel würden in nationale und internationale Klimarettungsfonds fließen und damit auch den Ärmsten und am stärksten Betroffenen zur Verfügung stehen.
Einmal für Rettungsmaßnahmen und die weltweit nötigen Anpassungsmaßnahmen bei Wasserversorgung und Hochwasserschutz,- aber auch für den nötigen infrastrukturellen und industriellen Um- und Rückbau, sowie sinnvolle Maßnahmen des Geoengeneering,
-wobei der Westen hier seine historische Klimaschuld abarbeiten könnte.
Mit diesen Mitteln könnte auch ein massives weltweites Aufforstungsprogramm finanziert werden. Der weltweite Umstieg auf regenerative Energien und 100% ökologische Landwirtschaft, sowie Umwelttechnologietransfers wären so machbar.
All dies würde weltweit sehr viele Arbeitsplätze schaffen und die ökonomische und soziale Ungleichheit mildern.
Die Autoproduktion der westlichen Industrieländer muss massiv zurückgefahren werden und weltweit ein entschlossener Umbau der Verkehrssysteme erfolgen, weg vom motorisierten Individualverkehr hin zum kostenlosen ÖPNV und zur kostenlosen Bahn.
Die Hochemissionsländer (nach pro Kopf- Emissionen) erhalten strenge Auflagen für eine schnelle Senkung ihrer Emissionen auf den globalen Durchschnitt, von denen sie sich nicht freikaufen dürften.
Es bedarf eines UN-Klimarates mit exekutiven Befugnissen und eines Klimagerichtshofs. Nicht kooperierende Staaten, hätten mit Anklagen, Boykotten, Sanktionen und drastischen Strafmaßnahmen zu rechnen. Die Hochemissionsländer müssen juristisch, ökonomisch und
politisch, aber auch moralisch von der Weltgemeinschaft unter Druck gesetzt und zu einem Kurswechsel gezwungen werden.
Gelingt diese „Große Transformation“ (WBGU) nicht, drohen der Erdsystemkollaps und die weitgehende Auslöschung des Lebens und der Menschheit.
Die Notbremse muss jetzt gezogen werden,- spätere Bremsversuche werden keine Wirkung mehr haben.
Jürgen Tallig 2017 tall.j@web.de
Literatur:
S. Rahmstorf, Können wir die globale Erwärmung rechtzeitig stoppen?, KlimaLounge,
11.04.2017
C.Figueres et al: „Three years to safeguard our climate”, Nature, 2017
U.Brand/M.Wissen, Imperiale Lebensweise, 2017
„Zukunftsfähiges Deutschland“, Studien des Wuppertal Instituts 1997 und 2008
WBGU, Klimaschutz als Weltbürgerbewegung, Sondergutachten 2014

 

Diagramme unten: Figure 2.Climatic response time series from 1979 to the present. The rates shown in the panels are the decadal change rates for the entire ranges of the time series. Unless provided in the caption above, the following copyright applies to the content of this slide: © The Author(s) 2019. Published by Oxford University Press on behalf of the American Institute of Biological Sciences.This article is published and distributed under the terms of the Oxford University Press, Standard Journals Publication Model (https://academic.oup.com/journals/pages/open_access/funder_policies/chorus/standard_publication_model)