Textbausteine aus Briefen von Jürgen Tallig (2018/19)

Mir geht es dabei keinesfalls um eine ideale, sondern um eine dauerhaft mögliche Welt…

Mit unserem derzeitigen, völlig unrealistischen Wachstumskurs fahren wir ja gerade das Klima- und Erdsystem gegen die Wand, wie Du heute auch wieder in der Zeitung lesen kannst…Neuer Sonderbericht des Weltklimarates, der gerade in Seoul tagt…

Die saugen sich das ja nicht aus den Fingern…

 

Die "kritischen Schwellen" werden nicht erst "bei weiterer Erwärmung überschritten", wie Sie schreiben, sondern sie werden jetzt bereits überschritten. Die Arktis ist bereits gekippt und hat schon die Hälfte ihrer sommerlichen Eisbedeckung verloren und der Amazonas- Regenwald hat in den letzten 15 Jahre bereits fünf schwere Dürren und den Verlust von zig Milliarden Bäumen erlitten…2016 verringerte sich das globale Meereis um eine Fläche von der Größe der EU, was der Erde zusätzlich einheizt, die Westantarktis ist laut PIK bereits 2014 gekippt, der Permafrost taut längst immer stärker und tiefer auf usw. usf.

All diese Entwicklungen drohen nicht irgendwann in der Zukunft, nach noch soundso viel Emissionen und entsprechender Erwärmung, sondern sie finden längst statt und verstärken längst die Erderwärmung. Dazu habe ich in den letzten Jahren ja etliche Artikel geschrieben, siehe z.B. "Die tödliche Falle" in Umwelt aktuell 11.2017 und "Rasante Zerstörung des Blauen Planeten" Umwelt aktuell 12.2016/01.2017.

Kurz und gut, wir überschreiten die Schwellen bereits und dann droht, wie Sie richtig schreiben, eine "selbstverstärkende" Erderwärmung und möglicherweise ein Überschreiten des globalen Kipppunkts. Wir sind dem Point of no returne, also viel näher, als allgemein angenommen,- das heißt: wir haben eigentlich gar keine Emissionsspielräume mehr.

Wir wissen inzwischen sehr wohl, dass wir mit dem weiteren ungebremsten Ausstoß von Treibhausgasen, ein wahnwitziges Risiko eingehen, dass zu einer verselbständigten Erderwärmung führen kann (siehe auch mein Artikel "Klima auf der Kippe").

Es gilt hier eindeutig das Vorsorgeprinzip,- man kann hier der Natur und der Wissenschaft nicht weitere Beweislast abfordern, die ja schon längst erdrückend ist-, da man diese Katastrophe nicht mehr verhindern kann, wenn sie in vollem Ausmaß sichtbar ist und sie ist jetzt schon überdeutlich sichtbar. Doch weder in der Öffentlichkeit, noch in der Politik, ist der wirkliche Ernst der Lage und die Dringlichkeit des Handelns bisher auch nur annähernd begriffen, wie Lindners Aussage: "Bei CO2 haben wir es nicht mit unmittelbarer und absoluter Gefahr, sondern mit einem schleichenden Risiko zu tun." exemplarisch deutlich machte. Auch Ihr Artikel ist leider nicht der Weckruf, der er hätte sein können und macht aus der derzeitigen Katastrophe ein "unsicheres" Zukunftsproblem!

Doch das einzige, was wir beim Klimawandel wirklich noch nicht wissen und was völlig unsicher ist, ist die Frage, ob, wie und durch welche Mechanismen der Kohlenstoffkreislauf überhaupt jemals wieder ins Gleichgewicht kommen könnte oder ob er bald irreversibel destabilisiert ist (Auftauen von Permafrost und Methanhydraten usw.), was eine Erderwärmung weit über die befürchteten 5 Grad auslösen könnte.

 

Wir haben jetzt, Anfang Februar hier ständig Nächte mit 5-6 Grad plus…Hallo! Und am Sonntag sollen es 12 Grad werden…

 

Es kommt einfach keine strukturierte, öffentliche Diskussion auf der Höhe der Probleme zustande… Es verleppert sich alles so, es ist so zäh, so eingefahren… Es ist wie in der DDR, ein Heer von Opportunisten und angepassten Vorteilsnehmern, die die Wahrheit gar nicht wissen wollen und sich keinesfalls zu weit aus dem Fenster lehnen,- alles ist irgendwie interessegeleitet und kopfgesteuert,- siehe meine letzte Mail.

Man müsste eigentlich schreien!

 

Angesichts von Extremdürre, weltweiten Hitzewellen und besorgniserregenden neuen Klimastudien ist Euer letztes Heft nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Das Thema ist mit dem Beitrag zu extremem Wetter in Deutschland extrem unterbelichtet.

Und die Aussagen zu einem CO2- neutralen Berlin kommen ja völlig aus Wolkenkuckucksheim… So ein Schwachsinn,- angesichts des alltäglichen Stau- Wahnsinns! Eine Millionenstadt wie Berlin, kann nur existieren, weil sie massenhaft Syntropie importiert und Entropie exportiert…und kann niemals CO2- neutral sein.

 

Precht ist mir auch sehr sympathisch! Ja, er hat Recht, -Technokraten, die das eigene und das Leben anderer verwalten,

ohne noch funktionierendes ethisches, moralisches, gefühlsmäßiges Korrektiv. Ich nenne es Entfremdung.

Wir sind in einer übermächtigen, zunehmend technofaschistischer werdenden Megamaschine gefangen, deren einziges Ziel in der erweiterten Reproduktion ihrer selbst besteht. Wie und ob wir uns aus diesem "Räderwerk" befreien können und die Maschine zum Stillstand bringen, das entscheidet über den Fortbestand des Lebens auf der Erde.

 

Wir begehen gerade das größte Verbrechen der Geschichte. Das wollen wir doch mal festhalten. Und wir begehen es aus Egoismus und Bequemlichkeit. Hitler war offenbar tatsächlich nur ein Vorspiel, angesichts der heutigen Menschen- und Lebensverachtung.

 

Wir wissen nicht, ob wir nichts mehr retten können, wir wissen nur, dass wir, wenn wir noch eine Weile so weitermachen,

ganz bestimmt nichts mehr retten können.

 

Wir erleben Verblendung und Naturentfremdung und die diffizile, skrupellose Herrschaft der Unvernunft, die es darauf ankommen lassen will,- und während der Extremdürre, Wald für Kohle rodet und Raketen durch die Gegend schießt und Moore in Brand setzt. Die verblendete Arroganz der Macht nimmt den Tod in Kauf.

 

Die gesellschaftliche Situation: zwischen völliger nationalbornierter- technofaschistischer Verdunkelung und dem nötigen Aufbruch zur Stilllegung der Megamaschine und zur Versöhnung mit der Natur, also der Öffnung, des Durchbrechens des geistigen und strukturellen Sarkophags!

 

Als wäre abgestumpfte Resignation der menschliche Normalzustand und Engagement für den Fortbestand des Lebens,etwas Außergewöhnliches, Erklärungsbedüftiges...

Der Sinn des Lebens ist, das Leben weiter geht, würde ich erst mal sagen, es geht um den Fortbestand der komplexen Lebenszusammenhänge des Systems Erde, die wir gerade zerstören. Womit nicht die Weiterverbreitung der eigenen Gene gemeint ist,-denn es ist ja leider nicht so, dass alle die Kinder haben, sich nun ganz toll für das Klima engagieren würden, wie Du ja selbst schreibst- da ist ein Zusammenhang keineswegs klar und man muss auch keine Kinder haben, um sich für das Leben und die Zukunft zu engagieren und so dem Leben einen Sinn zu geben.

Unsere derzeitige lebenszerstörende Gesellschaft ist natürlich sinnlos, eine evolutionäre Fehlentwicklung, eine Fehlmutation,und sie unterliegt ja auch ähnlich fehlgesteuertem Wachstum, wie Krebszellen. Dabei mitzutun, bewirkt

natürlich auch individuell eine sinnlose Existenz..., da man auf der lebensfeindlichen Seite steht.

Es ist wohl mein ausgeprägtes Gefühl für Richtigkeit und Gerechtigkeit, dass mich schon lange antreibt (schon in der DDR), die Wahrheit zu suchen und gegen die Lawine der "sinnlosen Geschichte" zu behaupten, womit ich ja auch meinen eigenen Leben Sinn gebe, jenseits eines egozentrischen und fatalistischen Sein-und Treibenlassens.

Ich habe dadurch, zumindest geistig, längst einen Anker am anderen Ufer und somit den Halt, um den Abgründen der Gegenwart schwindelfrei zu begegnen. Man muss ja erst mal denken und wissen, wie es sein könnte und richtig wäre, um zum Falschen eine Distanz zu entwickeln und vielleicht hinaus zu kommen.

Wobei ich mir keine Illusionen mache: Die Vernunft der Krebszelle ist bestimmt vom Zwang zu wachsen und sie hat ein völlig unemphatisches Verhältnis zu ihrem Wirtskörper und auch zur eigenen Nachkommenschaft, wie sich gerade zeigt.

Das ist ein vorbewusster, zur Selbsterkenntnis unfähiger Zustand.

Ich versuche im befallenen Gesellschaftskörper die Notwendigkeit einer geistigen Höherentwicklung zu popularisieren, dass Heilung noch möglich ist und Leben vielleicht die bessere Alternative wäre.

Der erste Schritt zur Genesung ist ja Krankheitseinsicht und ein Heilungsplan, in diesem Fall eine Vielfach- Krebstherapie...

Dem sind wir jetzt schon einen Schritt näher gekommen (Fridays for Future), wozu ich in den letzten Jahren nicht ganz unwesentlich beigetragen habe.

 

Leider ist es ja so, dass der "fehlmutierte weiße Raubaffe" nicht sich zuerst ausrottet, sondern das gesunde Leben. Die weiße Zivilisation ist gewissermaßen eine Art Krebserkrankung an der Erde und am Leben.

Sie würden doch sicher bei einer Krebserkrankung auch alles unternehmen (Operation, Chemo, Bestrahlung, Ernährungsumstellung usw.), um den Krebs loszuwerden. An Krebs zu sterben ist sicher für das Individuum, wie für den Planeten, die denkbar schlechteste Lösung und darum geht es leider, -siehe auch die neue Klimastudie. Der Planet würde unbelebt und lebensfeindlich werden. Dies als Lösung auch nur zu denken, zeugt von fatalistischer Bequemlichkeit, die sich eigenes, eingreifendes und veränderndes Handeln, auch angesichts des drohenden Todes nicht vorstellen kann. Es steht zu befürchten, dass diese Gleichgültigkeit, dieser Nihilismus, inzwischen sehr weit verbreitet ist und den gefräßigen, fehlmutierten weißen Krebszellen, das Leben kampflos überlassen wird. Das Nekrozän hat längst begonnen.

Ich füge Ihnen oben mal einen etwas "satirischen" Text zum Thema an, der natürlich auch eines gewissen Fatalismus nicht entbehrt, aber ein Grundvertrauen in die Kraft des Lebens bezeugt.

 

Man muss ja die real existierenden Machtverhältnisse beachten und die Notwendigkeit schnellen, globalen Handelns, angesichts der drohenden Klimakatastrophe. Insofern ist ein großer Wirtschafts- und Währungsraum notwendig, möglicherweise eine Eurasische Union, die diesen Weg beschreitet. Dann wäre auch eine vorläufige Nichtbeteiligung der USA verkraftbar, allerdings wäre der Dollar damit endgültig als Weltleitwährung in Frage gestellt.

Und natürlich müsste, im eigenen Interesse der notwendigen Begrenzung der Erderwärmung, ein Unwirksam machen der Preissteigerungen durch übermäßige Inflation, durch ein geeignetes Kontrollgremium, z.B. einen Weltklimarat mit realen Machtbefugnissen, verhindert werden.

Natürlich wäre auch ein grundlegender Umbau des Finanzsystems notwendig, um die Macht des spekulativen Kapitals einzuschränken...

Das ginge von Finanztransaktionssteuer bis hin zu "Schwundgeld" und ist ein sehr weites Feld.

 

Bei unserem jüngsten Gespräch hast Du die Freiheitsrechte angesprochen, die, da exklusiv und die Menschenrechte anderer beschneidend, ja eh Unrecht sind und den Widerspruch bezüglich der Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen thematisiert.

Es schien fast, als hättest Du dieses Rechtsgutachten gelesen.

Ich habe es jetzt selbst erst mal gründlich gelesen und die Lektüre hat mein Verhältnis zum Klimaabkommen doch verändert.

Man kann und muss damit, als völkerrechtlich verbindlicher Regelung, die klare Vorgaben macht, Druck ausüben und das Weiter so, als Verbrechen und völkerrechtswidrig delegitimieren.

Interessant ist auch, dass sich in dem Gutachten genau meine Kritik am Budgetansatz wiederfindet,- also wieviel CO2 überhaupt noch freigesetzt werden darf, die ich auch Prof. Rahmstorf gegenüber geäußert habe.

Also, Deutschland dürfte überhaupt nichts mehr emittieren und müsste woanders noch die Emissionsminderungen bezahlen.

Mit anderen Worten: Die Deutschland AG ist ein Verbrechen und völkerrechtswidrig und müsste eigentlich sofort abgewickelt werden.

Das ist doch ein genialer Satz, damit kann man doch argumentieren.

Die DAG ist ein Verbrechen an den Armen und Schwachen dieser Welt, von denen viele schon sehr bald den Klimawandel mit dem Leben bezahlen werden und genauso an den kommenden Generationen, denen die Lebensvoraussetzungen entzogen werden. Deshalb ist ihre Abwicklung ein Gebot der Stunde, um schnellstmöglich die weitere Verschleuderung von Energie und Rohstoffen zu stoppen und die ungebremsten, unverhältnismäßig hohen THG- Emissionen zu beenden. Das kommt in meinen nächsten Artikel mit rein…

 

Ich habe übrigens heute früh noch herzlich gelacht:

Angela Merkel,  hat zum Anschlussjubiläum oder zum Tag der deutschen Einheit so richtig einen gucken lassen,- das lief im O- Ton auf allen Radiosendern-, also sie sagte: "Es braucht noch eine Menge Arbeit, ehe die deutsche Einheit beendet ist."

Ist das nicht genial. Das ist doch beinahe schon alles so absurd, wie in der DDR. Die merken scheinbar auch nichts mehr.

Also, man könnte sich köstlich amüsieren, wenn dieses "nichts merken", nicht so verheerende Folgen hätte. Aber Lachen tut mir gut, habe ich jetzt gemerkt. Vielleicht sollte ich nur noch Satiren schreiben?

 

Ja, mit dem Prophetischen ist das so eine Sache. Was will man machen, wenn man die Dinge schon seit über 30 Jahren klar sieht, es die anderen aber nicht wissen wollen…Ein kluger Mann hat mal geschrieben:

"Das Schlimme an der Suche nach der Wahrheit ist, dass man sie findet. Danach ist man von seinen Mitmenschen getrennt und kann nicht mehr beliebig ihren Vorurteilen und "Meinungen" folgen.

Oder: "Wer seiner Zeit voraus ist, ist in seiner Zeit tot." Jetzt holt mich aber die Zeit langsam ein.

 

Übrigens hat das Theatralisch/ Pathetische seine Berechtigung und seine Funktion, weil es, wenn es gut und wahr ist, eine sonst vom Verstand kontrollierte und unterbrochene Verbindung zu tieferen Empfindungsebenen wieder herstellt.

 

Ach ja, warum??? Du bist ja Physiker, oder? Warum hat Einstein die Relativitätstheorie gesucht und gefunden und warum hat er sich für den Frieden eingesetzt? Ich glaube Einstein selbst, hat es am besten erklärt:

"Ein menschliches Wesen ist Teil des Ganzen, das wir als "Universum" bezeichnen, es ist als Teil zeitlich und räumlich begrenzt. Es erfährt sich, seine Gedanken und Empfindungen als etwas vom Rest abgesondertes,- eine Art optische Täuschung seines Bewusstseins. Die Täuschung ist für uns eine Art Gefängnis, da sie uns auf unsere persönlichen Wünsche und auf die Zuneigung zu einigen wenigen Personen begrenzt, die uns am nächsten stehen. Unsere Aufgabe muss darin liegen, uns aus diesem Gefängnis zu befreien, indem wir den Kreis unseres Mitgefühls ausdehnen, so dass er alle Lebewesen und die ganze Natur in ihrer Schönheit umfasst."

 

Es hat mich gefreut, dass wir uns nach all den Jahren, immer noch nah stehen, das heißt, uns nicht allzu sehr von unseren früheren Positionen entfernt haben.

 

Natürlich können Sie diesen, aber auch die anderen Artikel gerne weiterleiten. Dazu sind sie ja geschrieben, dass sie möglichst viele Menschen erreichen und das geistige Klima im Lande mit verändern helfen, damit wir noch rechtzeitig aus unserem

verblendeten Entfremdungszustand herausfinden und eine Versöhnung mit unserer inneren und der äußeren Natur bewerkstelligen.

 

Sie haben Recht. Natürlich ist "Earth Attack" leider keine Satire, sondern eine Kurzgeschichte des "Fortschritts" aus kosmischer Perspektive.

Die satirische Überspitzung wird von der absurden Realität ständig übertroffen und eingeholt, macht aber vielleicht doch manches lakonisch kenntlicher…? Ihr Bild mit den unterschiedlichen Zeitskalen finde ich sehr zutreffend und erhellend.

Das betone ich ja auch immer wieder, dass wir einer Wahrnehmungsstörung unterliegen

und eigentlich einen "Blitzkrieg gegen den Planeten" führen…

Die Menschheit müsste sich zu kosmischem Bewusstsein aufschwingen, was Eintagsfliegen naturgemäß schwer fällt…

Das haben Sie sehr schön formuliert.

Man kann und muss natürlich darauf hoffen, dass die Erderwärmung und die Klimakatastrophe die fossile Zivilisation schnell zum Kollabieren bringt und die Kräfte der Natur dann noch stark genug sind, um den freiwerdenden Lebensraum schnell zurückzuerobern und die CO2- Bindung und Sauerstoffproduktion sich schnell wieder erhöht. Vielleicht gibt es in den wärmer werdenden Ozeanen auch eine Massenvermehrung von CO2- bindendem Plankton oder entsprechenden Algen, die den Kohlenstoff mit in die Tiefsee nehmen.

Die Natur ist stark und das Leben ist einfallsreich,- darauf können wir immerhin hoffen…

 

Das schreibe ich ja auch in meinem Artikel, im Abschnitt "Menetekel allerorten, doch es herrscht Ruhe im Land". der Mensch ist offensichtlich nur über sinnliche, schmerzhafte Erfahrungen lernfähig… Doch, wenn es richtig weh tut, dann dürfte es zu spät sein…

Ob wir die Fähigkeit und die Phantasie für vorausschauendes Handeln noch rechtzeitig entwickeln, dürfte die entscheidende Frage sein…

Man sollte keinen Beifall für schlechte Nachrichten erwarten und die Nachricht, dass es keinesfalls so weitergehen kann wie bisher, ist psychologisch eine sehr schlechte Nachricht. Wie man die Trägheit der Herzen und Strukturen noch rechtzeitig überwinden kann, ist inzwischen eine Überlebensfrage...

Unsere Aufgabe ist es, eine geistig- kulturelle Hegemonie der Überlebensinteressen herbeizuführen und in einer Art zweiten Aufklärung, Öffentlichkeit und Entscheidungsträgern den Ernst der Lage zu vermitteln, der ja überhaupt noch nicht begriffen ist. Die Botschaft von der Gefahr einer unkontrollierbaren, sich selbst verstärkenden Erderwärmung (siehe die neue Klimastudie) ist weder im links- alternativen Spektrum, geschweige denn in der Mitte der Gesellschaft angekommen...

 

Wenn es Ihnen leid tut, dass Sie den Artikel nicht bringen können, gehe ich mal davon aus, dass Sie ihn gerne bringen würden, aber gewissen Zwängen unterliegen…?

Allerdings ist die "Zeit" (wie unabsichtlich doppeldeutig) längst reif für die volle, ungeschminkte Wahrheit, die ihren Weg an die Öffentlichkeit in unserer multimedialen Welt ohnehin findet… Ob allerdings rechtzeitig, und auch nach ganz oben, das ist die große Frage. Das Zeitfenster schließt sich, in dem eine Begrenzung der Katastrophe noch möglich ist. Jeder muss mit sich selbst abmachen, wie er kurzfristige und langfristige Interessen abwägt, wie es ja auch unsere ganze Gesellschaft muss.

Es muss Ihnen ja nicht leid tun, Sie können sich ja jede Woche neu entscheiden, für eine "Zeit" auf der Höhe der Probleme der Zeit, die möglicherweise der Zeit sogar voraus ist und Zukunft ermöglichen hilft, statt nicht zukunftsfähige Vergangenheit zu verlängern.

 

Es gibt ja nicht nur beim Klimawandel, sondern auch gesellschaftlich sich selbst verstärkende Prozesse… Es braucht eine neue Politisierung, ein Learning by Doing und die "Fridays for Future" scheinen mir eine geeignete Form, die auch über die Schüler hinaus wirken könnte.

Mein letzter Artikel, "Klima auf der Kippe" geht ja auch in diese Richtung Mobilisierung und sollte möglichst weit verbreitet werden (ich füge ihn oben nochmal gekürzt an).

"Das Haus brennt!" (Greta), es muss gelöscht werden! Mehr ist eigentlich nicht zu sagen. Das müssen nur endlich alle mitkriegen!

Die Bewegung muss die Studenten erfassen, die Mütter (die nicht wissen, ob ihre Kinder noch normal leben können werden), die Alten (die besonders unter der Hitze leiden), die Landwirte und Waldbesitzer (deren Existenz vertrocknet und verbrennt), all die, die vom Tourismus leben,- bei all denen geht es heute schon um reale Verluste und Bedrohungen-, und auch die Arbeiter und die Künstler! (Da hast Du ja so recht!),-die Gesellschaft muss endlich aufwachen und das verantwortungslose "Weiter so" in den entropischen Abgrund beenden. Das routinierte, eingespielte Pingpong zwischen Politik und Umweltverbänden wird die Klimawende nicht herbeiführen, wie die letzten Jahre deutlich gemacht haben…

Es bestätigt sich immer wieder: die bürgerlichen Medien unterdrücken alles, was die Systemfrage stellt und verschwiemeln alles zu Halbwahrheiten, individualisieren und psychologisieren die Probleme…

Ich muss mich von diesem falschen, interessegeleiteten Denken fern halten (das tut mir nicht gut),- andererseits gehört "Klima auf der Kippe" natürlich eigentlich auf die Titelseite "der Zeit"… Also muss ich Wege finden, Türen zu öffnen, um die Wahrheit zu infiltrieren… "Zeit Online" ist da besser und vielleicht offener? Mal sehen! Was eigentlich fehlt, sind nicht nur objektive Informationen, sondern das ist eine klare, strategische Orientierung! Zukunftskongress!!!!!!!!!!!!!!!!

Würde aber auch gerne den Schwerpunkt wieder mehr ins Künstlerische verschieben.

Deine Anmerkungen zur Kunst und zu Deinem derzeitigen Schaffensprozess fand ich interessant.

Interessant auch, dass mir gerade eine Aussage begegnet ist, die zu der Picassos gewisse Bezüge hat:

" Wer ein Bild malt, will wirken, das bedeutet überzeugen…

Ein Gedanke wird Gestalt, Bild, Gleichnis… Mit Phantasie und tiefem Denken wird ein "Bild" gefunden für etwas… Etwas "sehen" heißt und bedeutet auch, es erkennen,- daher auch der Begriff des "Sehers"!"

Frei nach Lea Grundig. (anderswo heißt es:" …Kunst bildet nicht ab, Kunst macht sichtbar."

Gefunden habe ich die Anregung in Rosemarie Schuders Buch über Hieronymus Bosch, zu dem ich in den letzten Wochen wieder zurückgekehrt bin und der mich nun schon über 40 Jahre begleitet.

Nie war Bosch aktueller denn heute: Er hat das Schicksal und die Entscheidungsfragen der Menschheit klar gesehen und in unvergleichlichen Bildern, für immer gültig ausgedrückt. Er lässt uns immer noch mit seinen Augen "sehen und erkennen"… So z.B.im "Heuwagen".

"Die Welt ist ein Heuhaufen und jeder nimmt sich davon.", lautet das Gleichnis dazu.

Die Welt bewegt sich vom Paradies zur Hölle, von Teufeln und Dämonen gelenkt und gezogen. Es gerät so einiges unter die Räder und die Mächtigen geben das Geleit, -ohne zu sehen, wohin die Reise wirklich geht…

Hölle oder Paradies, können wir noch etwas entscheiden? Der Wagen rollt offenbar abwärts, schon bei Bosch… Die Zukunft, eine brennende, aufgewühlte Erde, wie in seinem Jüngsten Gericht?

Doch "Der Garten der Lüste" zeigt uns auch die überirdisch schöne Vision einer erlösten Menschheit in Harmonie mit der Natur und dem Leben.

Doch die Größe der Entscheidung, die wir gerade treffen müssen, scheint uns zu überfordern und ist noch nicht wirklich begriffen. Vielleicht kann Kunst da wirklich mehr? Vielleicht kann Kunst eher unsere Entfremdung von der Natur und die innere Panzerung gegen das drohende Außen überwinden und uns wieder in Beziehung setzen zum Leben und zur Natur und so die Abspaltung und Verdrängung des drohenden Verlustes in Schmerz und Rettungs- und Handlungsantrieb umwandeln?

Denn zu was ich keine innere Beziehung habe, das tut nicht weh, das kann ich emotional auch nicht verlieren… Wie sagt schon Vishnu in der "Bhagavadgita" vor über 2300 Jahren:

"Wird ohne Rücksicht auf die Folgen, eigenen Verlust, die Schädigung anderer…, aus Verblendung eine Tat begangen, so wird dies die Art der Finsterlinge genannt." Erst wenn wir wieder in Verbindung mit dem Ganzen des Lebens sind, spüren wir den Verlust.

Hoffen wir also: "Es ist ein Riss in allen Dingen, da scheint noch Licht herein…" (L.Cohen),

hoffen wir auf den Schmerz, das Licht, die Erkenntnis, das Ende der Verblendung und der geistigen und emotionalen Dunkelheit.

 

Das scheint heute die Menschheitsfrage, vor der wir stehen.

Grünrot oder tot

Inzwischen können wir nur noch ohne das alles sein,

Längst müssten wir ohne Megamaschine leben,

das „Stählerne Gehäuse" zersprengen

wenn wir dauerhaft überleben wollen,

- was wir aber viel zu langsam begreifen.

Der Traum, die Illusion ist ja, dass es so weitergehen kann, wie bisher.

Es ist eine (sehr dumme) Utopie, zu glauben,

es könne unendliches, fossil basiertes Wachstum,

in einer endlichen, begrenzten Welt geben.

Dafür ist kein Platz auf unserer Welt!

Wir müssen uns von all diesen Energiesklaven trennen,

die Raum und Zeit zu beliebiger Verfügungsmasse machen

und die Welt zur Unkenntlichkeit verändern,

in der wir umher irren, auf der Suche nach unserer Seele.

Indianer zu sein ist kein Traum,

sondern eine existenzielle Überlebensnotwendigkeit,

-wenn wir es nicht freiwillig sind, dann werden wir es bald unfreiwillig sein.

In der bald erneut sich dehnenden Zeit wachsen die Wüsten,

die wir auf der Suche nach Wasser und Leben durchstreifen werden

und aus denen wir mit keinem Flugzeug oder Auto mehr entkommen können.

Wir gehen zu Grunde,

zu den Dingen oder dem Sein auf den Grund

rechtzeitig oder zu spät, so oder so,

- wir öffnen oder schließen das Buch des Lebens,

mit jeder Zeile, jedem Pfeil

den der Bogen unserer Sehnsucht noch absendet

gegen das anwachsende Nichts."

 

Eine anregende Lektüre wünscht Jürgen Tallig