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Endlich Sommer, Satire

Klimawende jetzt!
Energiekrise und Klimakrise erfordern eine radikale sozial-ökologische Transformation
Erst die Energiekrise hat den Herausforderungen, vor die uns die Klimakrise schon lange stellt, wirklichen ´Nachdruck verliehen und z.B. das Thema Energiesparen ernsthaft in den gesellschaftlichen Focus gerückt. Seit 30 Jahren wissen wir, dass wir uns in einer Klimakrise befinden, die außer Kontrolle zu geraten droht und dass wir weit über unsere natürlichen Verhältnisse leben.
Dennoch wurde weiter expandiert. Noch länger wissen wir, dass „Energiesparen: Die neue Energiequelle“ (1985) sein könnte. Doch es wurde und wird sehr viel Geld damit verdient, nicht zu sparen und weiter zu wachsen. Unsere imperiale Wirtschafts- und Lebensweise beruht auf billiger Energie, billigen Rohstoffen und billiger Mobilität. Und plötzlich herrscht nun allgemeine Weltuntergangsstimmung (aus Sorge um die Konjunktur), weil die Energieversorgung angeblich „in die Knie“ zu gehen droht, wo doch nur die Weltmarktpreise für Energie, wie vielfach prophezeit und gefordert, endlich gestiegen sind.
Es herrscht also zunächst einmal immer noch, trotz der Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens zu baldigen Null Emissionen, eine klimazerstörende Energieverschwendung.
Nun sollen also 15 % beim Gasverbrauch, im Rahmen des EU-Energie- Notfallplans eingespart werden. Die EU hat bereits vor zwei Jahren den Klimanotstand ausgerufen, was allerdings keine Notfallmaßnahmen und Einsparungen zur Folge hatte. Dabei wären entschlossene Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe dringend notwendig gewesen, wie die diesjährige Hitze und Dürre, mit ihren verheerenden Rekordwaldbränden und die europaweite Wasserkrise erneut gezeigt haben.
Wachstumspolitik im Klimanotstand
Tatsache ist, wir befinden uns seit Jahren in einer Klima- und Wasserkrise und sind ungebremst Richtung Klimakatastrophe unterwegs. Laut einer aktuellen WMO- Studie könnte eine Erderwärmung von 1,5 Grad bereits innerhalb der nächsten fünf Jahre erreicht sein und damit eine eskalierende Klimakettenreaktion drohen. Doch auch die neue Bundesregierung hielt es bisher, selbst angesichts austrocknender und kippender Flüsse und Seen, brennender und schwer geschädigter Wälder und massiver Ernteausfälle, nicht für notwendig den Klimanotstand auszurufen und wirklich entschlossen gegen die Klimakrise vorzugehen. Sie nahm die „Energiekrise“ sogar zum Anlass, bisherige Klimaschutzmaßnahmen zu verschieben oder gar rückgängig zu machen.
So wurde jetzt die gesetzlich vorgesehene Erhöhung des nationalen CO2-Preises von 30 auf 35 Euro je Tonne um ein Jahr auf 2024 verschoben. Eine genauso unsinnige Maßnahme, wie die Abschaffung der EEG-Umlage. Es mutet schon sehr sonderbar an, wenn eine Regierung mir grüner Beteiligung, sogar die zaghaften klimapolitischen Maßnahmen der früheren CDU-Regierung rückgängig macht und gleichzeitig den Energieverbrauch zusätzlich subventioniert (Tankrabatt), was nichts anderes als ein verdecktes Konjunkturprogramm ist und mit Klimaschutz gar nichts zu tun hat. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck mutierte blitzschnell zum Wachstums -und Energieminister und die Grünen reihten sich ein in die Krankenpfleger am Siechenbett des Kapitalismus. Wenn dann auch noch „das Beste“, was die Koalition bisher zustande gebracht hat, wieder rückgängig gemacht wird und 49 oder gar 69 statt 9 Euro kosten soll, dann verliert diese Regierung jede klimapolitische und soziale Glaubwürdigkeit. Ein guter Kompromiss wäre ein 9 Euro- Wochenticket und ein 30 Euro- Monatsticket. Geld dafür ist genug da.
Klimagerechtigkeit in der „Energiekrise“
Fossile Energie und klimazerstörender Verkehr werden nachwievor hoch subventioniert während für einen wirklich günstigen ÖPNV angeblich kein Geld da ist. Dabei tobt jeden Tag der Verkehrswahnsinn auf den Straßen. Alleine die jährlichen Staus in Deutschland reichen ca. 40 mal um den Erdball.
Für angeblich „systemrelevante“ Strukturen war schon immer genug Geld da. Man erinnere sich nur an die Bankenrettung 2008/2009, an die Corona-„Wiederaufbau“-Pakete und an die jüngste Konjunkturspritze für die Rüstungsindustrie. In den letzten drei Jahren wurden mehr als 550 Mrd. Euro Schulden gemacht und von Schuldenbremse war da nicht die Rede.
Die reichsten 10 % der Haushalte in Deutschland verursachen übrigens 26 % der Treibhausgasemissionen, fast genauso viel, wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung. Während die Reichen unverändert eine unsittliche Energieverschwendung betreiben, SUV fahren, in 200 m²-Lofts und Villen wohnen, weiter um die Welt jetten und die Gasumlage aus der Portokasse bezahlen, sollen die Ärmeren den Gürtel enger schnallen.
Es kann nicht sein, dass Energieverschwendung und Gewinne der Konzerne und der Reichen weiter subventioniert werden und die kleinen Leute und die kommenden Generationen die Zeche dafür zahlen sollen. Das ist nicht nur ungerecht, es ist auch rechtswidrig (siehe das Urteil des BVG zum Klimagesetz). Man kann nicht ständig von der Energiekrise reden und dabei von der Klimakrise schweigen, die die Zukunft von Milliarden Menschen zerstört.
Klimaschutz erfordert radikales Energiesparen
Die EU und Deutschland haben sich bekanntlich zu Emissionsreduzierungen um 65 bzw. 50 % bis 2030 verpflichtet und zu Null Emissionen bis 2050 bzw. bis 2045. Selbst diese unzureichenden Ziele erfordern eine sehr schnelle Verringerung des Energie- und Rohstoffverbrauchs der Ökonomien und Gesellschaften und sind nicht allein durch Effizienzsteigerungen und den Ausbau erneuerbarer Energien zu erreichen. Die sich aufschaukelnde Klimakatastrophe zeigt zudem überdeutlich, dass die bisherigen klimapolitischen Annahmen und Fristsetzungen wahrscheinlich viel zu optimistisch sind.
Längst sind systemrelevante Strukturen der Natur gefährdet und der Mangel an Wasser erweist sich zusehends als die eigentliche Limitierung unseres Handelns, wovon auch bereits die konventionelle fossile und die atomare Energieerzeugung betroffen sind (Frankreich musste die Hälfte seiner Reaktoren herunterfahren).
Was zurzeit an Energieeinsparungen beschlossen und vorgesehen ist, das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, angesichts des klimapolitisch Notwendigen.
Zur bisherigen symbolischen Klimapolitik kommt jetzt also ein bisher eher symbolisches Energiesparen hinzu des nicht weh tut und die alten Strukturen weitgehend unangetastet lässt.
Klimawende Jetzt
Es geht nicht darum, fossile Energie anderweitig zu beschaffen und die alten Strukturen zu stabilisieren, damit es weitergehen kann wie bisher und dabei die völlig unrealistische Verheißung
einer künftigen grünen Wasserstoffwirtschaft zu verkünden, sondern es geht darum, die bisherigen fossil-mobilen, Klima- und umweltschädlichen Strukturen grundlegend umzubauen und den Irrweg einer entfesselten Globalisierung und einer energiefressenden Digitalisierung zu verlassen.
Jetzt wäre die Gelegenheit für eine grundlegende soziale und demokratische Klimawende, die die Weichen neu stellt für viel weniger Energieverbrauch, vor allem in der Wirtschaft und im Verkehr und die Kosten und Lasten gerecht verteilt. Hierzu gehören eine energetische Grundsicherung für geringe Einkommen, Gewerbetreibende und kleine Unternehmen und eine progressiv steigende Gasumlage und Energiesteuer für Reiche und Großverbraucher und natürlich eine Übergewinnsteuer, sowie eine
relevante CO2- Steuer und ein Klimabonus, der steuerliche Belastungen ausgleicht,- Verschwendung muss bestraft und Sparsamkeit belohnt werden.
Unsinnige Fehlsubventionen im Energie- und Verkehrssektor für fossile Strukturen müssen umgelenkt werden,- die Zukunft muss subventioniert werden, nicht die Vergangenheit.
Notwendig ist ein grundlegender struktureller Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, der mit dem weiteren Wachstum der bisherigen Strukturen nicht zu vereinbaren ist. Viel weniger Energie- und Rohstoffverbrauch, viel weniger Verpackungen und Transporte, Abbau von Monopolstrukturen, Förderung kleinteiliger Strukturen, eine Regionalisierung der Wirtschaft, ein weitgehendes Ende des motorisierten Individualverkehrs, mehr lebensdienliche Arbeit, mehr Zeit und vor allem viel mehr Gerechtigkeit,- das ist notwendig,
- also eine wirklich radikale sozial-ökologische Transformation.
Jürgen Tallig  September 2022

 

Alarmstufe Rot oder „The final Countdown“
“Code Red” – „Alarmstufe Rot“, so beschreibt der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten, nunmehr schon sechsten Sachstandsbericht die Situation. Passend dazu hat Klimawissenschaftler Mojib Latif 2022 ein neues Buch veröffentlicht: „COUNTDOWN. Unsere Zeit läuft ab- was wir der Klimakatastrophe noch entgegensetzen können“.
Latif nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt viele „unbequeme Wahrheiten“, die man in seinem letzten Buch „Heißzeit. Mit Vollgas in die Klimakatastrophe…“ noch vermisst hat (siehe Rabe 10/11 2020, Seite 23). Alles in allem eine gute Überblicksdarstellung, die im derzeitigen Kommunikationschaos Prioritäten setzt und Orientierung gibt und klar macht, worum es wirklich geht,- nämlich um die Verhinderung der Klimakatastrophe. Wer mitreden will beim Überlebensthema Klima, der sollte dieses Buch gelesen haben.
Kohlendioxid und die Grenzen der Menschheit
Prof. Latif sieht die Menschheit am Abgrund und sich selbst zwischen Hoffnung und apokalyptischen Befürchtungen. „Wir scheinen die Dramatik des Klimawandels immer noch nicht zu erkennen.“ Er verweist auf die Grenzen der Vorhersagbarkeit, der Anpassung und der Finanzierbarkeit und sieht unkalkulierbare Risiken. Er sieht seit Jahren keinerlei Fortschritte bei den Klimakonferenzen und fragt, was denn noch passieren muss, damit die Staatengemeinschaft endlich ernsthaft versucht, die Erderhitzung zu begrenzen? „Wir müssen in unserem Denken und Handeln viel radikaler werden….Sonst wird uns der Planet um die Ohren fliegen…“
Die spekulativen Annahmen, auf denen die derzeitige „Klimapolitik“ beruht, werden durch zahlreiche Aussagen des Buches in Frage gestellt. Die Abschnitte zu drohenden Kipppunkten, schwindenden CO₂-Senken, zu den „schöngerechneten“ CO₂-Budgets und zu den Spekulationen über „CO₂-Rückholung“ im großen Stil sind informativ und erhellend, wenn auch manche Formulierung der Dramatik der Entwicklungen, z.B. beim Permafrost und beim Waldverlust, nicht gerecht wird. Immerhin wird deutlich gesagt, dass Deutschland sein Restbudget an CO₂ bei gleichbleibenden Emissionen bereits in 10 Jahren ausgeschöpft haben wird. Eine Tatsache, die bislang bei allen klimapolitischen Debatten und Planungen einfach ignoriert wird.
Kulturelle und/oder politische Revolution?
Die Welt ist durch individuelles Wohlverhalten allein nicht zu retten,- es bedarf „systemischer“ Veränderungen, meint Latif. „Wir müssen die Welt komplett umbauen und das fossile Zeitalter schnellstens hinter uns lassen, wenn wir eine Überhitzung der Erde noch vermeiden wollen.“ „Die Gewinnmaximierung um jeden Preis, ob zu Lasten der Umwelt oder des Staates (also des Steuerzahlers) ist asozial. Die Übernahme von Verantwortung durch das gerechte Teilen von Vermögen und Gewinnen, gehört unbedingt zu der nötigen kulturellen Revolution…“. Wobei hierzu wohl eine politische Revolution nötig sein dürfte…
Jürgen Tallig    September 2022

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Christian Schmeiser (Samstag, 28 September 2019 09:31)

    "We're doomed - now what ?" (Roy Scranton)